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Leipzig Leipzig: Museum zeigt Porträts von Max Beckmann

Von Christian Eger 27.10.2011, 20:25

Leipzig/Mz. - Das viele schöne Reisen? Das habe, schrieb der Maler Max Beckmann an den Verlegerfreund Reinhard Piper, eigentlich gar keinen Zweck. "Weil man doch nur die Menschen versteht, unter denen man lebt." Das, was man besichtigen kann, könne man "ebenso gut in Abbildungen genießen."

Weil Beckmann aber verstehen musste, was er malte, sind seine Bilder voll von Gestalten und Gesichtern, die ihre ganz handgreiflichen Vorbilder hatten. Solche, die er verstand. Ehefrauen, Geliebte, Freunde des Malers. Menschen, mit denen der Künstler lebte, der 1884 als Sohn eines Kaufmannes in Leipzig geboren wurde, in den 20er Jahren zu einem deutschen Malerstar aufstieg, 1937 vor den Nazis nach Holland floh und 1950 in New York starb - auf dem Weg zur Eröffnung der Ausstellung "American Painting Today".

Insofern ist es nicht einfach eine Bilderschau unter anderen, die das Leipziger Museum der bildenden Künste mit der Ausstellung "Max Beckmann - Von Angesicht zu Angesicht" präsentiert. Es ist eine Schau, die mit dem Porträtwerk des Malers dessen Lebens- und Seelenwelt so umfangreich wie nie zuvor sichtbar macht. Und das auf eine im Material so überraschende und in den biografischen Hintergründen so detailfreudig recherchierte Art, dass - im Blick auf die Künstlerpersönlichkeit Beckmann - von einer Neuentdeckung gesprochen werden darf.

Denn nach einer Präsentation 1963 in Karlsruhe hat es keine Ausstellung der Beckmannschen Bildnisse und Selbstbildnisse mehr gegeben. 58 Gemälde, die als Leihgaben aus dem In- und Ausland kommen, sind im Haus an der Katharinenstraße zu sehen. Über 160 vorbereitende Skizzen und Studien. Der Katalog ist für Beckmann-Freunde unentbehrlich. Er bietet ein biografisches Lexikon, das rund 240 Personen vorstellt, die Beckmanns Lebensweg kreuzten - und von denen nicht wenige auf den Bildern zu erkennen sind.

Allen anderen voran Beckmanns zweite Ehefrau Mathilde von Kaulbach (1904-1986), genannt Quappi. Eine um 20 Jahre jüngere, stets mit auffallend roten Lippen gemalte Frau, der eine Freundin das "Gesicht eines Löwenjungen" nachsagte. 1924 hatte der Maler die Sängerin und Violinistin in Wien kennengelernt, die er 1925 nach seiner Scheidung von der Sängerin und Malerin Minna Beckmann-Tube (1881-1964) heiratete. Dass sich Minna, die für Beckmann die Malerei aufgegeben hatte, seit 1915 als Opernsängerin verwirklichte, soll zur Entfremdung des Paares geführt haben. Auch auf seinen Bildern zeigte sich Beckmann gern als kleiner König oder als Mann mit einem Signalhorn: Der Künstler als Ansager und Verkünder. So auch auf einem der Prachtstücke der Ausstellung, dem aus New York herangeholten "Familienbild" von 1920, das links den Maler zeigt, bequem ausgestreckt, vor ihm steht seine Frau Minna: Die Kerze, die zwischen beiden qualmt, ist erloschen. Auf dem Gemälde "Siesta" von 1924 schafft Beckmann 1931 Fakten: Der Kopf der einladend auf dem Bett hingelagerten Minna wird mit Quappis Gesicht übermalt. Frauentausch mit Palette.

In der zeitlichen Folge des Porträtwerks läuft der Besucher durch die Schau: von den frühen, noch impressiven Familienbildern an bis zum klassischen Beckmann nach 1917. Schwarz-blaue Konturen überall. Längliche Hände wie bei gotischen Figuren. Bei aller Dramatik im Duktus liebt Beckmannd doch sehr das Statuarische.

Neben der privaten wird auch die kulturelle Zeit erlebbar. Großartig und beredt ist das "Familienbild Heinrich George" von 1935, das den Schauspieler mit seiner Frau Berta Drews und dem erstgeborenen Sohn Jan zeigt. Eindrücklich die Porträts des Schriftstellers Rudolf G. Binding oder des Verlegers Reinhard Piper. Voller Hingabe aber zeigt Beckmann die Frauen an seiner Seite, von denen für die Schau einige erstmals identifiziert werden konnten. Hinter dem malerischen Antlitz erscheint das historische als ein zweites Gesicht.

Leipzig, Katharinenstraße 10: bis 22. Januar 2012. Di und Do-So 10-18, Mi 12-20 Uhr, Feiertage 10-18 Uhr. Vortrag am 23.11. um 19 Uhr von Carla Schulz-Hoffmann: Beckmann und die Frauen.