Leipzig Leipzig: Inszenierte Zerstörung des eigenen Kunstwerks

Leipzig/ddp. - Zuindischer Trommelmusik übermalten sie am Sonntagabend zusammen mitrund 250 Besuchern das Panoramabild «Rom 312» des Berliner KünstlersYadegar Asisi im Leipziger Panometer. Der triumphale EinzugKonstantins in Rom, nach dem unerwarteten Sieg gegen seinen SchwagerMaxentius um die Vorherrschaft im Römischen Reich, eben noch auf 100Meter Länge und 30 Meter Höhe monumental festgehalten - überpinselt.Das historische Symbol für die Zeitenwende vom antiken Olymp hin zumChristentum - überholt. «Aber wir zerstören nicht das Werk, sondernnur ein Stück bedruckten Stoff», erklärt Asisi.
Am Boden steht Katharina Reinicke mit einem Farbeimer und klatschtganze Hände voll Farbe auf die Leinwand vor sich. «Es ist einaufregendes Gefühl», sagt sie mit leuchtenden Augen. Um sie herumspritzen andere Besucher in durchsichtigen Plastikumhängen mitPumpguns grüne Farbe auf Gebäude, Plätze und Menschen der antikenHauptstadt, manchmal, aus Übermut, auch auf andere Besucher. DieMänner in den Seilen sprühen Fantasieformen, Wörter wie «Liebe»,«Frieden» auf das Bild und reißen schließlich die Leinwand inStreifen.
Die 250 geladenen Gäste hatten an diesem Abend die Möglichkeit,sich das Panoramabild Asisis noch einmal anzugucken - und dann beiseiner Zerstörung zu helfen. Der Künstler habe sich für dieZerstörung entschieden, weil das Panorama einzigartig sei und nichtweiter vermarktet werden solle, hatte sein Büro vorab mitgeteilt.Eine Versteigerung von Stücken aus der dazugehörigen Ausstellung amSamstagabend war derweil nur schleppend verlaufen.
Für drei Jahre war die Ausstellung im alten Gasometer, den Asisivon den Leipziger Stadtwerken gemietet hat, zu sehen. Fast 600 000Besucher kamen, um sich den siegreichen Einzug Konstantins in Romnach der Schlacht an der Milvischen Brücke in der 360°-Ansicht voneinem Stahlpodest in der Mitte des Raumes anzuschauen. Nun wird dasWerk symbolisch mit grüner Farbe übermalt, um auf das nächstePanoramabild des Künstlers, den amazonischen Regenwald, einzustimmen.
«Es ist ein komisches Gefühl, das Bild zu zerstören», findet MirkoWölfling, ein Biologiestudent aus Würzburg, «Normalerweise geht manin eine Ausstellung und darf die Sachen nicht mal anfassen und hierwird man dazu eingeladen, sie zu kaputt zu machen. Das ist fast einTabubruch.» Auch Rolf Karl hat Gefallen an dem Gedanken derDestruktion gefunden: «Das ist eigentlich symbolisch der Untergangdes Römischen Reiches. Warum den also nicht noch mal erleben?», fragtder Besucher mit verschmitztem Lächeln.
Asisi erzählt, dass sich einige Besucher empört hätten, als sieerfuhren, was er mit dem Bild vorhabe. «Wenn ich Rom für einenanderen Ort noch mal machen sollte, dann würde es ganz andersaussehen - wozu also diesen Stoff behalten?». Der Künstler verweigertsich dieser Form der Finissage: «Das Kunstwerk ist in den Köpfen der600 000 Besuchern gespeichert und funktioniert nur hier an diesemOrt. Wo sonst soll man diese 600 Kilogramm schwere Stoffbahnaufhängen?»
Er hat schon mehrfach Zeichnungen und digitale Fotografien zuriesigen Rundum-Ansichten zusammengefügt. Im Dresdner Gasometer etwaist seit 2006 sein Panoramagemälde «1756 Dresden» zu sehen. FürAsisi, der bis vor drei Wochen noch als Professor an TechnischenFachhochschule Berlin unterrichtete, ist das Panoramabild «einwürdiger Vertreter der Sehkultur», wie er sagt. Es bestehe dieChance, «einen festen Gegenpol zum bewegten Bild zu schaffen».
Die Organisatorin Yalda Bouzrina ist zufrieden mit dem Ergebnisder Leipziger Finissage: «Ich habe beim Herumgehen sehr viele'Kinder' entdeckt, die Spaß daran hatten mitzumachen. Die Umhängehaben ihre Pflicht erfüllt.» Insgesamt 250 Liter grüne Farbe wurdenauf der Leinwand verteilt. Einige Gäste sehen aus, als hätten sie garkein Schutzcape getragen. «Ich wollte schon immer mal grüne Haarehaben», sagt der Besucher Nezam Madani lachend. Auch Yadegar Asisihat grüne Farbspritzer auf der Hose. «Ein schönes Mitbringsel!»,findet er. «Ich hab einen Riesenspaß gehabt!» Für ihn ist es einAbschied ohne Wehmut.