Legende feiert Geburtstag Legende feiert Geburtstag: Der Dandy des Jahrhunderts

München/dpa. - «Auch hundert Jahre sind zu kurz.» Der das sagt, muss es wissen: Johannes Heesters, der als Grandseigneur der Operette und Dandy des Jahrhunderts bereits eine lebende Legende ist, wird an diesem Donnerstag (5. Dezember) 99 Jahre alt und ist noch immer voller Pläne. Zwar werde er seine Wunschrolle, Shakespeares «König Lear», wohl nicht mehr spielen, wie er dem «Münchner Merkur» jüngst verriet, dafür aber ist der schlohweiße Jahrhundertstar immer noch auf der Bühne und im Fernsehen präsent. Zuletzt wurde Heesters als alter Diener Firs in Anton Tschechows «Kirschgarten» bejubelt.
Sein Geburtstag wird an diesem Donnerstag im Münchner Arri-Kino mit einer Gala gefeiert, bei der auch seine im Langen Müller Verlag erschienenen Lebenserinnerungen («Auch 100 Jahre sind zu kurz», 350 Seiten, 19,90 Euro, ISBN 3-7844-2828-2) vorgestellt werden. Außerdem wird eine restaurierte Fassung der 1944 in Prag gedrehten und erst nach dem Krieg fertig gestellten Operettenverfilmung «Die Fledermaus» erstmals gezeigt. Die neue Fassung soll im nächsten Jahr auch im Fernsehen präsentiert werden. In der Rolle des Baron von Eisenstein ist Heesters der einzige noch lebende Darsteller des Films.
Drei Dinge waren seine Attribute - Frack, Zylinder und weißer Schal -, mit denen er ein Leben lang unzählige Showtreppen fröhlich singend herunterkam, für ein Feinschmecker-Restaurant in Paris warb («Heut geh' ich ins Maxim») und die «Lustigen Witwen» betörte. Mehr als tausend Mal hat er allein den Grafen Danilo verkörpert. An der Seite seiner 46 Jahre jüngeren Frau Simone Rethel denkt Heesters - zärtlich «Jopi» genannt - überhaupt nicht ans Aufhören. Sein Motto war und ist: «Was spiele ich als nächstes.» Die Schauspielerin, die er 1992 nach dem Tod seiner ersten Frau geheiratet und die ihm zu seinem 95. Geburtstag den Fotoband «Schönheit des Alters» gewidmet hat, ist seine große Liebe.
«Ach Gott, der lebt ja noch!» wird von manchen schon mal ausgerufen, wie Heesters selber argwöhnt. Aber: «Was soll ich denn tun?» fragte er bei seinem letzten Berliner Gastspiel in die Runde. «Soll ich Zuhause sitzen und warten, bis man mich holt? Ich denke nicht daran!» Und plötzlich singt er mit altgewohnter schmetternder Stimme eine seiner vielen Operettenlieder durch die Halle. «Den allerersten Applaus habe ich noch in den Ohren. Ich habe gerne Operette gespielt, auch die "silbernen", wie den "Zarewitsch"», bekennt er, «aber ich bin jetzt froh, dass ich am Ende meiner, na ja, meiner Lebenszeit, wieder Schauspiel machen kann.»
Ursprünglich wollte der im niederländischen Amersfoort geborene Kaufmannssohn Priester werden. Als anschließend auch aus dem Bankberuf nichts wurde, versuchte er es im Schauspielergewerbe. Seine eigentliche Karriere begann 1935 in Berlin, das ihn schnell faszinierte und wo er zum vielumschwärmten leichtlebigen Gigolo und unwiderstehlichen Charmeur aufstieg, dem es die Frauen nur allzu gern so leicht machten. «Ich knüpfte manche zarten Bande...» war wohl auch privat sein Lebensmotto. Das will Heesters heute etwas gerade rücken: «Die Leute dachten immer über mich: "Champagner, Frack und Mädchen, mein Gott, muss der Mann ein tolles Leben führen, der wird Zuhause auch so sein." Da ist es aber ganz anders.»
Dennoch: Ein Millionenpublikum erklärte ihn zu seinem Liebling, nicht zuletzt wegen seiner populären Filme wie «Gasparone», «Hallo Janine» und nach dem Krieg «Hochzeitsnacht im Paradies», «Die Csárdásfürstin», «Im weißen Rössl», «Viktor und Viktoria» sowie «Bühne frei für Marika!». Dass Heesters dabei auch einer der fleißigsten Stars in den deutschen «Ablenkungsfilmen» in Nazi- Deutschland war und einmal im KZ Dachau auftrat, ist ihm später von seinen niederländischen Landsleuten verübelt worden. «Kneifen war nicht möglich», sagte Heesters später dazu. «Es war wirklich nicht immer leicht für mich, während der Kriegszeit als Ausländer in Deutschland zu arbeiten.» Insgesamt wurde dem Schauspieler auch ein eher distanziertes Verhältnis zum Nationalsozialismus nachgesagt.
Doch sein Beruf war sein Leben, das hatte er mit anderen Größen seines Gewerbes in jenen Jahren wie beispielsweise Gustaf Gründgens oder Heinrich George gemeinsam. Und die Bühne und der Film hielten ihn auch in den Nachkriegsjahrzehnten jung bis ins biblische Alter. Unvergessen ist der Zweikampf der alternden Komödianten Heesters und Carl-Heinz Schroth in der TV-Aufführung von Neil Simons Boulevard- Klassiker «Sonny Boys». Als greiser Casanova in Karl Gassauers «Casanova auf Schloß Dux» ging Heesters viele Jahre erfolgreich auf Tournee. Eine Frage liegt dem in Ehren alt gewordenen Dandy noch am Herzen: Er würde Casanova gerne mal fragen, «ob er glücklich war in seinem Leben».