Landestheater Mecklenburg Landestheater Mecklenburg: Altes Zuchthaus wird zur Spielstätte
Neustrelitz/MZ. - Theater im Knast, die Idee ist verlockend - zumal an diesem Ort: Hier, im Beustrelitzer Ortsteil Alt-Strelitz, hat der Schriftsteller Hans Fallada (1893-1947) im Jahr 1944 für zweieinhalb Monate in Untersuchungshaft gesessen, weil er angeblich versucht hatte, seine Ex-Frau Anna Ditzen umzubringen. Und hier hat er das "Trinker-Manuskript" geschrieben, auf Kanzleipapier, in winziger, kaum entzifferbarer Handschrift. Die Arbeit am Text wird Fallada, dessen Bücher dicht an seinem Leben handeln, nicht nur tröstende Ablenkung, sondern auch Therapie bedeutet haben.
Das Gebäude allein ist Furcht erregend. Kommt man aus Richtung Berlin nach Neustrelitz, grüßt der Bau gleich rechter Hand am Eingang des Ortes. Vor zwei Jahren durch einen Neubau für die zuletzt hier einsitzenden jugendlichen Straftäter ersetzt, dient das leer stehende alte Zucht- und Irrenhaus nun als Spielort für Oliver Hohlfelds Fallada-Adaption "Der Trinker". Thomas Roth hat das Stück mit viel Gespür für die Stärken seiner Darsteller inszeniert. Aus der gläsernen Zelle der Hauptfigur Erwin Sommer heraus wird die Vorgeschichte seines Scheiterns in einer langen Rückblende erzählt. Allerdings würde der Verzicht auf ein paar der exzessiven Bilder vom "Absturz" des Trinkers die Wirkung eher verstärkt haben.
Namentlich Ralph Sählbrandt als Sommer, aber auch Michael Meister (Arzt und Oberinspektor der Gefängnisverwaltung) und Jelena Fräntzel als Schnaps und Liebestrost spendende Elinor zeichnen dabei mit hoch konzentriertem Spiel sehr glaubwürdige Figuren.
Allerdings lässt das Bühnenbild ein paar Fragen offen: Die komplette Einrichtung ist in Packpapier eingeschlagen, akkurat beschriftete Nummernkärtchen baumeln an Fäden - Stück für Stück erst (und selten vollständig) werden Möbel, Geschirr, Kleider ausgepackt. Ein hübsche Idee, aber was will sie uns verraten? Ist an Versteigerung von Hab und Gut des bankrotten Sommer gedacht, soll mir das Papier eine immer fremder werdende Welt illustrieren? Aber warum wird dann aus - nicht eingepackt?
Als problematisch erweist sich einige Male auch die Einbeziehung des schauerlichen Ortes: Gut ist, dass einem Gelegenheit gegeben wird, die Zellen und Werkstätten zu besichtigen. Schlecht ist, wenn eine quäkende Lautsprecherstimme den Besuchern nahebringen will, wie es in der Seele des Häftlings ausgesehen haben könnte. Ebenso gut gemeint, ebenso daneben: Die Pause wird mit dem Ruf "20 Minuten Freigang" eingeleitet. Damit verletzt man die Grenzen des Taktes und klebt einer gelungenen Inszenierung Girlanden an, die sie wirklich nicht nötig hat.
Die nächsten Vorstellungen sind ausverkauft, Tel.: 03981/ 2770