KZ in der Nazizeit KZ in der Nazizeit: Weibliche Häftlinge als «Bordellfrauen»

Fürstenberg/dpa. - «Kaum ein zweites Thema aus der Geschichte der Konzentrationslager ist einerseits derartverschwiegen und verdrängt worden und andererseits derart mitVorurteilen und Verzerrungen behaftet wie das der Zwangsprostitution von weiblichen KZ-Häftlingen für männliche KZ-Häftlinge durch die SS», sagte Gedenkstätten-Leiterin Insa Eschebach bei der Eröffnung am Sonntag in dem früheren KZ in Fürstenberg/Havel. 300 bis 400 Frauen seien in zehn Konzentrationslagern zu sexueller Zwangsarbeitgezwungen worden. Die Schau zeigt rund 200 Exponate, darunterDokumente und Zeitzeugen-Interviews.
Zu sehen sind auch Karteikarten, die die zumeist aus dem Frauen-KZRavensbrück kommenden Häftlinge als «Bordellfrauen» ausweisen,Dokumente über die bürokratische Organisation der Sex-Zwangsarbeitund Prämienscheine, die die männlichen Häftlinge von der SS für einenBordellbesuch erhielten. «Die Bordelle sollten als "Leistungsanreiz"dienen, um die Arbeitsproduktivität der Häftlinge in derRüstungsindustrie zu steigern», sagte der Sprecher der StiftungBrandenburgische Gedenkstätten, Horst Seferens. Zugleich wollte dieSS-Führung auf diese Weise die von ihr gefürchtete Verbreitung vonHomosexualität verhindern.
Kaum eine der Frauen, die alle schwere körperliche und seelischeSchäden erlitten, hatte laut Eschebach nach 1945 wegen derentwürdigenden Entschädigungsverfahren ihre Arbeit im Bordell zurSprache gebracht. «Sex-Zwangsarbeit wurde in der juristischenAufarbeitung der SS-Verbrechen nicht als solche geahndet.» Eschebachwies darauf hin, dass sexuelle Gewalt seit dem 1. Juli 2002 erstmalsin der Geschichte des Völkerstrafrechts explizit als Verbrechen gegendie Menschlichkeit und als Kriegsverbrechen benannt werde.
Die Schau in Ravensbrück beleuchtet die Funktion der Bordelle ausSicht der SS, stellt die Häftlingsbordelle in den einzelnenKonzentrationslagern vor und fragt nach den Gründen für dasjahrzehntelange Schweigen über dieses Thema nach 1945. Bordelle gabes demnach in den Lagern Buchenwald, Mauthausen, Gusen, Flossenbürg,Auschwitz, Auschwitz-Monowitz, Neuengamme, Dachau, Sachsenhausen undMittelbau-Dora. Zu hören ist laut Seferens auch eine Art Hörspiel mitAussagen von männlichen Häftlingen über ihre Bordellbesuche. AufFotos wurde dagegen weitgehend verzichtet, «um möglichevoyeuristische Erwartungen zu unterlaufen».
Die Ausstellung der Gedenkstätte Ravensbrück wurde in Kooperationmit dem Institut für Kunst im Kontext der Universität der KünsteBerlin erarbeitet. Sie ist die wesentlich erweiterte Fassung einerAusstellung aus Wien und bis zum 30. September in der GedenkstätteRavensbrück in Fürstenberg/Havel zu sehen.