Kurt-Weill-Fest Kurt-Weill-Fest: Balladen für Bandoneon
Dessau/MZ. - Diese, ihre Wahrheit brannten der Holländer Carel Kraayenhof und das "Sexteto Canyengue" dem Publikum im Anhaltischen Theater am Sonntag mit zweieinhalbstündigem Einsatz in die Gehörgänge.
Es sprühten die Funken auf der Bühne und von dort ins Auditorium hinein, wo die Tango-Fanatiker zahlreich und unüberhörbar vertreten waren: ein fulminanter Abschluss, zugleich einer, der irgendwie typisch war für diese Auflage des Kurt-Weill-Festes. Der Patron selbst spielte nämlich, wie in manch anderem Konzert der letzten Tage, nur eine Nebenrolle. Wenn auch keine schlechte.
Es war ein perfekter Tangoabend, dem - so hätte man meinen können - nur der Tanz fehlte. Doch falsch gedacht, denn richtig tanzen lässt es sich zur Musik des "Sexteto Canyengue" schwer. So ist das beim "Tango Nuevo", dem Kunst-Tango, den der große Argentinier Astor Piazzolla geprägt hat. Er war es, der den traditionellen Tanz aus den Kaschemmen und Bordellen holte, er machte ihn seit den 1950er Jahren in gesitteten Kreisen hoffähig und erhob ihn zur Kunst.
Plötzlich war der Tango offen für Jazz, Rock und Pop, für Klassik und Avantgarde. Carel Kraayenhof spielt, man kann es ruhig sagen, das Bandoneon (dieses argentinische, doch aus Deutschland stammende, pardon, "Schifferklavier") meisterlich wie Piazzolla. Sein Sound ist dem des großen Idols sehr und bisweilen zu ähnlich, oft aber noch schärfer. Der Tangorhythmus des "Sexteto Canyengue" stampft nicht nur, jeder Ton sitzt wie der präzise Stich eines Spitzdolchs. Dann tanzen die Bandoneons auf den Schenkeln, der Kontrabassist schabt auf den Saiten - kaum wird ein Akkord angerissen, ist er schon wieder weg.
Die männlich-herbe Seite des Tango kann aber nur wirken, weil ihr gegenüber ziellos umher irrende Melancholie und klebrige Süße die Balance halten. Dafür waren - neben dem klagenden Ton der zwei Bandoneons - Emma Breedveld und Bert Vos mit beherrscht schluchzenden Geigen zuständig. Emma Breedveld hatte übrigens auch vier exzellente Weill-Arrangements besorgt, die hier ihre Erstaufführung erlebten und die Rückbindung an das Festival ebenso wie - abseits der glanzvollen argentinischen Nummern - die besondere Prägung des Konzerts sicherstellten.
Dass dabei "Youkali", dieser traurig-legere französische Tango aus der Feder Weills, sich für das "Sexteto Canyengue" leicht erschließen würde, war ja zu erwarten. Wie schlicht und dennoch authentisch die Band aber in der "Zuhälterballade" und der "Ballade von der sexuellen Hörigkeit" agierte - Chapeau. Schließlich der "Song von Mandelay" aus "Happy End": ein atemloser Tango, über rhythmische Hürden hinweg, um harmonische Ecken herum. Es war, als wäre dieses Lied hier geboren worden.
MDR Figaro sendet das Konzert am 23. April um 21 Uhr.