Kurt Cobain Kurt Cobain: Lieber Sterben als ein Superstar werden

Halle/MZ. - Über den Tag in Halle hat er nichts notiert. Oder doch zumindest nichts, was seine Nachlassverwalter für würdig befunden hätten, elf Jahre später öffentlich gemacht zu werden. Halle war nur ein Konzert von vielen, ein Vorprogramm-Auftritt für die legendäre Band Sonic Youth, und Nirvana-Sänger Kurt Cobain kassierte die vereinbarten 2000 Mark Gage nach getaner Arbeit eigenhändig.
Ein fröhlicher Kerl sei er gewesen, damals, sagen Leute, die die Nirvana-Technik auf die Bühne trugen, zu Witzen aufgelegt und keinem Small Talk abgeneigt. Nirvana standen kurz vor der Veröffentlichung ihres Albums "Nevermind", wenige Wochen später wird ihr Song "Smells Like Teen Spirit" auf Platz 1 in den Charts überall auf der Welt stehen und Cobian, Bassmann Chris Novoselic und Trommler Dave Grohl werden zu Superstars sein.
In seinen Tagebüchern hat Cobain den Ruhm vorher geträumt. Detailliert, so verraten es jetzt veröffentlichte Auszüge aus 23 nachgelassenen Notizbüchern, plante und organisierte der Junge aus dem US-Städtchen Aberdeen seine Karriere. Einem Trommler, der nicht regelmäßig zu den Proben kommt, kündigt er. Plattenfirmen umwirbt er schmeichelnd, in langen Listen führt er auf, wo die Band auftreten und wen sie treffen muss, um ganz nach oben zu kommen.
Von wegen Unabhängigkeit, von wegen Ideale! Während Nirvana als neue Band verkauft werden, die all den alten Rock wegzufegen gekommen ist, ist der 24-Jährige zu sich selbst ganz ehrlich: "Wir wollen mit abkassieren und den Bossen in den Arsch kriechen", schreibt er. Der Sänger als zerrissene Persönlichkeit, die Faksimiles seiner Tagebuch-Notizen wie ein Beweis. Krakelig schreibt Cobain, mit Durchstreichungen, Ausrufezeichen. Der begnadetste Musiker seiner Generation wird im Triumph ein unsicherer, von Magenschmerzen geplagter Mann, der vor Erwartungen der Fans Zuflucht im Heroin sucht. "Ich denke, ich bin einsam", schreibt er und wünscht sich mit Blick auf den Gitarristen der ehemals rebellischen Band The Who "lieber zu sterben als Pete Townshend zu werden."
"Ich. Alter Mann", so nennt er sich, der mit Blondhaar und Drei-Tage-Bart Jugend und Spaß. Kurd Cobain verlischt am Ziel seiner Wünsche wie eine Kerze im Regen: Die 300 Seiten der deutschen Tagebuchausgabe führen bis nach Rom im Jahr 1994, wo Cobain einen ersten Selbstmordversuch unternimmt. Vier Wochen später ist der Mann, der nie die Stimme seiner Generation sein wollte, tot.