Empörung Kunstwerke, die Eklats auslösten

Köln - Skandale, Eklats oder kurze Erregungswellen: Seit Kunst ein weitgehend von Religion und Machthabern autonomer gesellschaftlicher Bereich ist, bildet die Kultur ein beliebtes Schlachtfeld im bürgerlichen Selbstverständnis. Ob abstrakte Malerei, Neue Musik oder Skulpturen im öffentlichen Raum: Nahezu jede Sparte, Gattung und Epoche eignet sich für die große Empörung oder den kleinen Shitstorm zwischendurch.
Der Komponist Steve Reich ist ein Klassiker der Neuen Musik. Die Aufführung seines Werks „Piano Phase“ von 1967 musste in Köln allerdings im Februa 2016 abgebrochen werden. Die Philharmonie-Besucher überzogen den iranisch-stämmigen Cembalisten Mahan Esfahan mit Pfiffen und Buh-Rufen und forderten den Wahl-Amerikaner auf, gefälligst Deutsch zu sprechen.
Eine ganze Reihe von Künstlern von Manet über Schiele bis Mapplethorpe erreichte mit Aktbildern hohe Werte auf der Skandal-Skala. Beispielhaft: Nur ausgewählten Besuchern zeigte ein privater Sammler Gustave Courbets „L'Origine du Monde“ (Der Ursprung der Welt) – ein Gemälde von 1866, das eine Frau zeigt, deren Vaginalbereich im Mittelpunkt des Bildaufbaus steht.
Auch 1951 waren Sexualität und Nacktheit in der Kunst und der Öffentlichkeit skandalös. Hildegard Knef gelang in der Kino--Rolle der „Sünderin” der Durchbruch. Allerdings erst nach Krisensitzungen der Produktions- und Verleihfirma, monatelangen Mediendebatten, Demos aufgebrachter Bürger und massiven Protesten der Kirche.
Der Körper als expressives Mittel: Die Performance-Künstlerin Valie Export setzte ebenfalls nackte Haut in Szene. Allerdings rückte sie nicht ein gemaltes weibliches Modell ins Auge des Betrachters, sondern ließ 1968 auf der Straße Menschen ihre eigenen Brüste in ihrem berühmten Tapp- und Tastkino begrapschen. Als der Film zur Aktion auf der Maraisiade - Junger Film '68.
Bildende Kunst war im Mittelalter eng an die Kirche gekoppelt , kann aber seitdem im religiösen Bereich stark provozieren. 2005 plante der deutsche Künstler Gregor Schneider, anlässlich der Biennale in Venedig einen Metall-Kubus auf dem Markusplatz aufzubauen. Die venezianischen Behörden verhinderten das Aufstellen der Skulptur, weil sie stark an die Kaaba in Mekka erinnere. Man befürchtete, die Gefühle der islamischen Gemeinde zu verletzen. Der Hamburger Bahnhof in Berlin erteilte dem Werk wenig später ebenfalls ein Absage. Und 2015 verbot Venedig erneut einen Biennale-Beitrag, der auf islamische Spuren in der italienischen Stadt verweisen wollte: Das Moschee-Projekt des Schweizers Christoph Büchel. Schließlich gelang es Scheider übrigens, seinen Kubus im Hamburg zu zeigen.
Kunst verstört nicht nur mit direkten thematischen Inhalten, sondern auch mit Formen und Richtungen wie abstrakter Malerei oder Konzeptkunst. Als Marcel Duchamp 1917 ein umgedrehtes weißes Pissoir auf einem Sockel präsentierte und das Werk „Fontain” nannte, ließ der Skandal nicht lange auf sich warten. Die Jahresausstellung der New Yorker Society of Independent Artists sollte explizit zensurfrei abkaufen. Der Ausschluss des Objekts zeigte eine andere Realität – und zog Debatten über den Kunstbegriff nach sich.
Der Spanier Santiago Sierra ist bekannt für seine emotionalen, sozialkritischen und grenzüberschreitenden Arbeiten. Im März 2006 leitete er Autoabgase in das ehemalige jüdische Bethaus in rheinländischen Pulheim-Stommeln. Nach Protesten der Öffentlichkeit und des Zentralrats der Juden wurde das Projekt „245 Kubikmeter gestoppt.
Die Frage, ob eine Arbeit Kunst ist oder nciht, entzündet sich auch gern an den Arbeiten des Briten Damien Hirst. Ob Hai-Kadaver in Formalin oder ein diamantbesetzter Totenschädel-Abguss: Hirst ist ein Superstar, einer der reichsten Künstler der Welt und eine überaus umstrittene Figur.
Kunst- und Kulturskandale sind nicht nur klassischen Kunstsparten vorbehalten. Auch im Pop kann sich das Publikum empören. Madonna schafft es sogar seit 30 Jahren, abwechselnd Kirche, Besucher oder Öffentlichkeit aufzuregen. 1984 schockierte sie die USA bei den MTV-Awards mit einer Performance ihres Hits „Like a Virgin”, das Video zu „Like a Prayer” führte zur Kündigung ihres Werbevertrages. Weitere Skandale sind nicht ausgeschlossen.