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Kulturpolitik Kulturpolitik: Zur Bundestagswahl sehen Kabarettisten nicht nur schwarz

Von Wolfgang Duveneck 08.08.2005, 07:52
Die Kabarettisten Dieter Hildebrandt (l, Archivfoto vom 19.03.2003), Matthias Deutschmann (M, Archivfoto vom September 2001) und Mathias Richling (Archivfoto vom 6.10.2003) sehen einem möglichen Wechsel der Regierung nach der Bundestagswahl vom 18. September mit Gelassenheit entgegen. (Fotos: dpa)
Die Kabarettisten Dieter Hildebrandt (l, Archivfoto vom 19.03.2003), Matthias Deutschmann (M, Archivfoto vom September 2001) und Mathias Richling (Archivfoto vom 6.10.2003) sehen einem möglichen Wechsel der Regierung nach der Bundestagswahl vom 18. September mit Gelassenheit entgegen. (Fotos: dpa) Zentralbild

Hamburg/dpa. - Und als später den SPD-geführten Regierungen von Willy Brandt und Helmut Schmidt dasKabinett von Helmut Kohl (CDU) folgte, brachen für Dieter Hildebrandt& Co. wieder pointenreiche Jahre an. Dann kam die Ära mit GerhardSchröder und Joschka Fischer. Und auf einmal lieferte auch Rot-Grünmit der Reformpolitik reichlich Stoff für Spott und Satire. DemAusgang der voraussichtlich am 18. September bevorstehendenBundestagswahl sehen prominente Kabarettisten mit Gelassenheitentgegen: «Egal, wie es kommt - der Unterschied wird nicht großsein», ist die fast einhellige Meinung.

Dieter Hildebrandt (78), Deutschlands dienstältester aktiverKabarettist, sieht «die im Hintergrund lauernde Gewissheit, dass eseine Fortsetzung mit anderen Mitteln gibt» - und damit weitergenügend Themen fürs Kabarett. Ein Regierungswechsel werde «nahtlos»sein. «Die Löcher bleiben ja. Wer will sie denn stopfen?», fragt derMitgründer der Münchner Lach- und Schießgesellschaft undEx-TV-«Scheibenwischer». «Man kann schließlich nicht ein Loch miteiner Lücke stopfen.» Mit einem Regierungswechsel verbunden siehtHildebrandt vor allem einen Generationenwechsel. «Die 68er-Generationist abgemeldet. Herrn Schäuble haben sie schon entmerkelt», meint erspöttelnd. Ein gewisses Vergnügen kann Hildebrandt auch für den Fallnicht verbergen, dass es eine große Koalition geben könnte: «Ichwürde mich nur freuen für die FDP - dann wären wir die malvorübergehend los.»

Auch für Solo-Kabarettist Matthias Deutschmann sind dieUnterschiede zwischen den Parteien «nicht mehr wie zu Adenauer-Zeiten». «Das ist doch Ball paradox - die CDU ist heute auf demlinken Flügel linker als die Regierung», meint der 46-Jährige. Durcheinen Regierungswechsel würde sich seiner Ansicht nach das Kabarettnicht wesentlich verändern. «Die kleinen und großen Parteien machenzweifellos viel Theater, verfügen aber auch nur in Ausnahmefällenüber gute Schauspieler», gibt Deutschmann zu bedenken. «Herr Schröderist ein versierter Mime. Frau Merkel ist es nicht. Aber das kann janoch kommen, denn Bundeskanzler ist ja ein Ausbildungsberuf.»

Deutschmann sieht es als großes Glück, dass er am Tag derBundestagswahl live bei einem 3sat-Festival «über den Beginn einerneuen politischen Epoche in Deutschland öffentlich-rechtlichherfallen» kann. «Vielleicht gibt es ja am 18. September so etwas wieeine geistig-moralische Wende», sagt er amüsiert und fügt hinzu:«Die letzte - 1982 mit Kohl - hat uns ja immerhin das Privatfernsehenund die 0190-Nummern gebracht.» Stolz ist Deutschmann auf seinenNamen: «Damit bin ich eigentlich prädestiniert, sowohl OskarLafontaine als auch der CDU das Wasser abzugraben.»

«Schlimmer kann's nicht kommen - aber ich würde nicht daraufwetten», sagt Kabarettist, Autor und Schauspieler Horst Schroth.Einen Regierungswechsel fände er nicht schlecht. «Die Regierung würdeich lieber den ersten 300 Leuten aus dem Berliner Telefonbuchüberlassen als denen, die jetzt dran sind», lästert der 1948 geboreneOberfranke und ehemalige Wahlkämpfer für die Grünen. Und er ist sichsicher, dass er auch in den nächsten vier Jahren nicht sprachlos seinwird. Ob er diesmal allerdings selbst überhaupt wählen geht, weiß ernoch nicht: «Joschka Fischer ist der Beweis, dass sich mit Masse keinVakuum füllen lässt», meint Schroth, der seit fast 20 Jahren mit demheutigen künstlerischen Leiter des Hamburger St. Pauli-Theaters,Ulrich Waller, zusammenarbeitet.

Für Waller, selbst als Autor aktiv, würde ein Regierungswechsel«keine besondere Konjunkturbelebung für das Kabarett» mit sichbringen. «Die Jahre mit Schröder waren schon sehr ergiebig, das Chaoshat uns sehr viel Stoff gegeben mit hohem Unterhaltungswert.» Waller,Gründer des Hamburger Kabarettfestivals, dem nach seinen Angabenältesten derartigen Festival in Deutschland, rechnet mit einer GroßenKoalition. Gedanken macht sich Waller darüber, dass Frau Merkelinzwischen Ludwig Erhard beschwöre. «Ich warte schon auf den Moment,wenn sie mit Zigarre erscheint.»

Für den Kabarettisten Mathias Richling berechtigen Wahlen nicht zuHoffnungen. Sie seien lediglich Ausdruck von Notwehr. «Deutschlandwird nicht, sondern bleibt im Herbst so, wie es ist: konservativ»,glaubt der 52-jährige Schwabe. «Denn Rot-Grün hat sich in den letztenJahren alle Mühe gegeben, eine Politik der rechten Mitte zu machen.Gefährlich könnten der SPD vor allem die linken Abspaltungen werden,zum Beispiel die CDU und die CSU.»