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Kulturhauptstadt Graz 2003 Kulturhauptstadt Graz 2003: Zukunftsvisionen auf historischem Boden

Von Irmgard Schmidmaier 02.01.2003, 13:21
Blick auf den historischen Hauptplatz in Graz mit dem Schlossberg im Hintergrund. Die zweitgrößte Stadt Östereichs trägt 2003 den Titel Kulturhauptstadt Europas (Foto: dpa)
Blick auf den historischen Hauptplatz in Graz mit dem Schlossberg im Hintergrund. Die zweitgrößte Stadt Östereichs trägt 2003 den Titel Kulturhauptstadt Europas (Foto: dpa) dpa

Graz/dpa. - Graz gibt sich als Kulturhauptstadt Europas 2003 ein markantes Profil: Der Uhrturm, das Wahrzeichen der österreichischen Stadt, erhält einen Zwilling aus Stahl, neben der Mariensäule ist ein gläserner Liftturm gewachsen und mitten im Fluss Mur liegt eine künstliche Insel. In der Stadt mit ihren weitläufigen Palais, Arkadenhöfen aus der Renaissance-Zeit und der verwinkelten Dachlandschaft irritieren metaphorische Installationen und entstehen Neubauten in spektakulärer Architektur.

Intendant Wolfgang Lorenz gibt sich unbescheiden in seinen Vorhaben und deklariert Kultur zum «unverzichtbaren Lebensmittel». Das heißt für den 58-Jährigen, den Schwerpunkt auf Kunst im öffentlichen Raum zu legen und auf bleibende, meist architektonische Projekte. So wird mit der Eröffnungs-Premiere am 9. Januar, Beat Furrers Musiktheater «Begehren», auch die neue Helmut-List-Halle, ein Industriebau aus dem 19. Jahrhundert, als Veranstaltungsort in Betrieb genommen.

Am rechten Mur-Ufer schwebt das künftige Kunsthaus, das im Herbst eröffnet werden soll, in Form einer riesigen Luftblase noch als Rohbau auf Betonstützen. Von den Londoner Architekten Peter Cook und Colin Fournier als «Friendly Alien» betitelt, hat der Bau im Volksmund den Namen «Blaue Blase» erhalten. Die neu gestaltete Mur- Promenade ist bereits begehbar, und in der Flussmitte liegt die künstliche Insel des amerikanischen Künstlers Vito Acconci, die künftig als Caféhaus, Kinderspielplatz und Bühne dienen soll.

Neben international bekannten Stars der Architektur- und Kunstszene wurden auch junge heimische Künstler für Projekte eingeladen. Unter dem Slogan «Ankommen in Graz» wurden so die Autobahn-Einfahrten, der Bahnhof und der Flughafen künstlerisch neu gestaltet. Um dem deklarierten sozialpolitischen Anspruch gerecht zu werden, ist eine Vielzahl der 103 Projekte in Zusammenarbeit mit Initiativen vor Ort entstanden, mit entwicklungspolitischen Gruppen, caritativen Organisationen oder Forschungsinstitutionen wie dem «Büro für Entwicklung und Frieden».

Ein neuer Blick auf die Geschichte der Stadt öffnet sich so in einer Ausstellung im Stollen des Schlossbergs, der zum «Berg der Erinnerung» wird: Die Lebenserinnerungen der Grazer wurden hierzu gesammelt, ausgewertet und ermöglichen zusammen mit Fotografien und persönlichen Gegenständen eine alltagsgeschichtliche Erkundung. Für Obdachlose wird ein Containerdorf entstehen. Als spektakuläres Zeichen der Integration gesellschaftlicher Randexistenzen holt Graz im Juli die Weltmeisterschaft der Obdachlosen-Fußballverbände in die Steiermark.

Die vorhandenen Festivals der Stadt, das österreichische Filmfestival «Diagonale», das vom Dirigenten Nikolaus Harnoncourt geleitete Musikfest «Styriarte» und das Avantgarde-Festival «steirischer herbst» dehnen im Rahmen des Kulturjahres ihr Programm zeitlich wie inhaltlich aus. Jenseits dieser Projekte locken Uraufführungen von Henning Mankell oder Anselm Glück im Theater, von Beat Furrer im Bereich Musiktheater und internationale Koproduktionen am Opernhaus.

Im Unterschied zu den vergangenen Jahren, als sich jeweils zwei oder mehr Städte den Titel der Kulturhauptstadt teilen mussten, steht Graz 2003 konkurrenzlos im Mittelpunkt europäischen Kulturinteresses. Diese Ehre will die Stadt auch in touristisches Kapital ummünzen und ein wenig aus ihrem Schattendasein treten. Die Lage der 250 000 Einwohner-Stadt im Südosten Österreichs haben die Touristenströme bislang an der steirischen Hauptstadt etwas vorbeigelenkt. Dabei geraten Graz-Entdecker über das milde Klima, die reizvolle Landschaft und das südliche Flair in der spätmittelalterlichen, später barockisierten Innenstadt gerne ins Schwärmen.

Innenstadt von Graz (Grafik: dpa)
Innenstadt von Graz (Grafik: dpa)
Sven-E. Hauschildt