Kriminalität Kriminalität: Der «Kannibale von Rotenburg» kehrt in die Medien zurück

Frankfurt/Main/dpa. - Knapp fünfJahre nach Bekanntwerden der Bluttat aus dem osthessischenRotenburg/Fulda nähern sich in diesem Herbst drei neue Bücher und eine Fernsehdokumentation dem grausigen Geschehen zwischen zweihomosexuellen Männern aus ganz unterschiedlichen Blickwinkeln.Sensationsgier zeichnet aber keines der Werke aus.
Zur Erinnerung: Der Computertechniker Armin Meiwes hatte im März2001 seinem Internet-Bekannten Bernd B. aus Berlin auf dessenausdrückliches Verlangen zunächst den Penis abgeschnitten und ihnspäter erstochen, zerlegt und große Teile des zwischenzeitlicheingefrorenen Menschenfleisches gegessen. Während der beidenStrafprozesse in Kassel und Frankfurt - letzterer endete mit einemrechtskräftigen Lebenslang-Urteil wegen Mordes - breitete sich vorder Öffentlichkeit eine größtenteils virtuelle und für vieleunvorstellbare Subkultur aus. Darin steigerten sich angeblicheMenschenfresser und Schlachtopfer in eine obskure Gedankenwelt.Allein Meiwes hatte Kontakt zu etwa 400 Männern aus dieser Szene undscheint kein Einzelfall zu sein. Ende August war in Wien ein 19-Jähriger mit blutverschmierten Mund festgenommen worden. Er solleinen Mann getötet und möglicherweise Teile der Leiche gegessenhaben.
Mit der blutigen Tat des einsamen Rotenburgers beschäftigen sichein Rechtsmediziner, ein Sexualpsychologe und schließlich der Täterselbst. Der in Kassel inhaftierte Meiwes kommt in Buch und Film«Interview mit einem Kannibalen» des Hamburger Journalisten GünterStampf ausführlich zu Wort. Die beiden Wissenschaftler waren an demProzess beteiligt.
Der Gießener Rechtsmediziner Manfred Risse musste den Inhalt derMeiweschen Kühltruhe untersuchen und für das Gericht das Kannibalen-Video analysieren, dessen Bilder für das Publikum weiterhin tabubleiben. Aus seinen Erfahrungen hat der Mediziner das Buch «Abendmahlder Mörder» (Militzke-Verlag, 18 Euro) gemacht. Das von Meiwes selbstgedrehte und viereinhalb Stunden lange Tat-Video hat nach seinerEinschätzung die «Grenzen des Abstoßenden gesprengt».
Um die ungezählten Fantasie-Kannibalen sorgt sich der BerlinerSexualpsychologe Klaus M. Beier, der Meiwes als Gutachter eineschwere Bindungsstörung und einen Extrem-Fetischismus attestiert hat.In seinem Fachbuch «Sexueller Kannibalismus» (Urban & Fischer BeiElsevier, 74,95 Euro) schildert er das Phänomen aus historischer,psychologischer und sexual-medizinischer Sicht. Der Charité-Forscherhofft, dass sich die Betroffenen selbst an Therapeuten wenden. Diesexuellen Präferenzen könne man zwar nicht ändern, ihre Impulse aberkontrollieren - zur Not mit Medikamenten, wie er der «Zeit» sagte.
Von dem grausigen Stoff fast aufgefressen fühlt sich GünterStampf, der als einziger Journalist Meiwes in seiner Haft interviewendurfte. Sein «Interview mit einem Kannibalen» (Seeliger, 19,90 Euro),das am Freitag in Berlin vorgestellt wird, versammelt neben denÄußerungen von Meiwes weite Auszüge des Chat- und E-Mail-Verkehrssowie Zitate aus Urteilen und Gutachten.
Für seine bei RTL noch nicht terminierte TV-Dokumentation hat sichStampf neben dem Gutachter Beier noch den bekanntenKriminalpsychologen Thomas Müller und die Spiegel-GerichtsreporterinGisela Friedrichsen an die Seite geholt. «In der deutschen Fassunggibt es mehr einordnende Interviews», nennt Stampf den größtenUnterschied zur internationalen Version, die gleichwohl ebenfallskeine Bilder des Original-Videos enthält. Meiwes selbst hatseine Interviews autorisiert, Klagen seinerseits wie gegen den US-Film «Rohtenburg» sind daher nicht zu erwarten.
Meiwes-Anwalt Harald Ermel schwört Stein und Bein, dass seinMandant aus Buch und Film keinen wirtschaftlichen Nutzen zieht. Nurer selbst erhalte für seine Tätigkeit eine Aufwandsentschädigung,sagt der Advokat aus Rotenburg, der immer noch nicht aufgegeben hat,gegen das Lebenslang-Urteil anzugehen. Das Bundesverfassungsgerichtund möglicherweise der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte inStraßburg sollen sich nach seinem Willen noch mit der Kannibalen-Causa befassen. Doch jetzt sind erst mal wieder die Medien dran.