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Komische Oper Berlin Komische Oper Berlin: Bedenkliches Ende eines Superstars

Von Matthias Frede 25.03.2003, 12:34
Dietrich Henschel in der Rolle des skrupellosen Frauenverführers Don Giovanni und Anne Bolstad in der Rolle der Donna Elvira in Mozarts Oper «Don Giovanni» in der Inszenierung von Peter Konwitschny an der Komischen Oper Berlin (Foto: dpa)
Dietrich Henschel in der Rolle des skrupellosen Frauenverführers Don Giovanni und Anne Bolstad in der Rolle der Donna Elvira in Mozarts Oper «Don Giovanni» in der Inszenierung von Peter Konwitschny an der Komischen Oper Berlin (Foto: dpa) ZB

Berlin/MZ. - Wenn das kleine "Wolferl" in barocker Montur das Cembalo traktiert und zur eigenen Ouvertüre den Aufstand probt, ist die heile Opernwelt noch in bester Ordnung. Dass sie trotz des harmlos heiteren Vorspiels aber alsbald in heftige Turbulenzen geraten würde, war von Peter Konwitschnys erstem szenischen Versuch mit Mozarts "Don Giovanni" zu erwarten. So stieg die Springflut des verbalen Widerspruchs mal wieder hoch angesichts dieser schon frühzeitig befehdeten Premiere an der Berliner Komischen Oper.

Die reale Verstörung zeigt sich allenthalben, auf der Bühne wie im Parkett. Sensation oder Provokation - was ist geschehen? Nicht eben wenig. Denn Konwitschny erzählt die Geschichte des unwiderstehlichen Frauen-Jägers konsequent aus heutiger Sicht, indem er zwischen Spaß und Ernst, Leben und Tod wohl zu dosieren weiß. Sein Giovanni verkörpert mehr als das pure Lustprinzip, er lebt allein für den Moment und verstößt damit gegen gesellschaftliche Reglements, weshalb er letztlich entsorgt (hier bildlich: entmannt) werden muss.

Im Ende des widerborstigen Superstars offenbart die Inszenierung ihren Sinn: Er wird von einer amorphen Masse einvernommen und gleichgeschaltet - aus dem quicken Weiberhelden, der den Stadtkommandanten beiläufig per Stockschirm meuchelte, ist ein willfähriger Greis geworden. Und von furioser Höllenfahrt, die eine schöne Ausrede wäre, kündet lediglich ein minimales Flämmchen.

Neben jener besonders dicht sinnfällig arrangierten Endspiel-Szenerie bietet die zeitlos hässlich dekorierte Mozart-Zurichtung vor allem dort viel Feinschliff, wo der Beutegeist des von Dietrich Henschel ebenso provokant wie eloquent gespielten und nobel gesungenen Genussmenschen Don Giovanni auf Jens Larsens bodenständigen Witz als abgebrühter Leporello trifft. Sehr differenziert gezeichnet sind auch die drei Damen, Bettina Jensens hochdramatische, mitunter allzu schrille Donna Anna, Anne Bolstads hysterische, aber sensible Donna Elvira und Sinéas Mulhern als ziemlich naive Zerlina.

Dramaturgische Widersprüche werden nicht verschleiert, seelische Abgründe ernst genommen, Leerstellen nach dem zwangsweisen Abgang des subversiv animalischen Mannsbildes nicht ausgeblendet, wobei Kirill Petrenkos musikalische Leitung des öfteren eine recht raue Gangart bevorzugt.

Noch Fragen? Vermutlich. Denn Konwitschnys geläufige Tendenz, seine gescheiten Konzepte ohne erkennbare Not durch restriktive Übertreibungen zu unterlaufen, zeitigt wiederum diverse Zweifel: an erotischen Verwirrungen oder wenn der eher passive Don Ottavio (tenoral glänzend: Finnur Bjarnason) Musik und Geschehen anhält, um aus einem Mozart-Brief an den kranken Vater zu zitieren.