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Klaus-Renft Klaus-Renft: Als ob nichts gewesen wär'

Von Steffen Könau 23.09.2005, 16:31

Halle/MZ. - Renft ist einer, der seinem Bauch vertraut. Die anderen in seiner Klaus-Renft-Combo sind damals, an jenem 22. September 1975, der Meinung, "uns verbieten, das werden die sich nicht wagen". Klaus Renft, von allen "Jenni" genannt, bastelt dennoch den Rekorder an sein Instrument, um das Todesurteil für die Nachwelt aufzunehmen.

Es klappt: Die Renft-Combo, angetreten, einer Staats-Kommission neue Lieder vorzuspielen, wird für "nicht mehr existent" erklärt. Die Band zieht sofort in die Kneipe, die Wut wegsaufen. Klaus Renft muss vorher noch ein kleines Problem lösen: "Wie kriege ich das Ding aus, ohne dass einer was merkt."

Dreißig Jahre danach ist die DDR lange weg. Nur Klaus Renft ist immer noch da. Er spielt jedes Wochenende irgendwo auf einem Dorf, in einer kleinen Stadt, zusammen mit ein paar von den alten Jungs und ein paar neuen. Vor dem Konzert kommen immer Leute hinter die Bühne, wo Renft, Monster und die anderen Bier trinken, gucken aus feuchten Augen und klopfen den alten Helden auf die Schultern. "Möönsch, Jenni, wie geht's, halt die Ohren steif, mein Alter." Hält er. Was denn sonst. Als Klaus Renft vor fünf Jahren erfuhr, dass ein Krebs in ihm wuchert, hat er einfach weitergespielt, bis die Krankheit sich trollte. Vor kurzen ist der Krebs zurückgekehrt. Renft musste sich erneut operieren lassen, die Narbe am Hals ist noch ganz frisch. Aber die Augen des 63-Jährigen strahlen wieder. Bald fange die Chemo an, sagt er. Das werde schwer, denn "ich weiß nicht, wie das mit den Auftritten hinhaut".

Renft ist ein Kämpfer. Als Musiker hält er sich selbst für eher mittelprächtig, auch seine Kollegen schätzten in ihm mehr den Organisator mit dem Händchen für junge Talente. Den Gitarristen Peter "Cäsar" Gläser hat er entdeckt und den Sänger Thomas "Monster" Schoppe auf einem Dorf-Tanzsaal aufgegabelt. Der Keyboarder Christian "Kuno" Kunert wird an der Musikhochschule aufgetrieben, der Autodidakt Pjotr Kschentz spielt die Geige und den Klarinettisten Jochen Hohl ernennt er zum Trommler. In dieser Besetzung feiert die Renft-Combo Triumphe. Lieder wie "Wer die Rose ehrt" beherrschen drei Jahre lang die DDR-Hitparaden, Amiga verkauft mehr als 200 000 Schallplatten, die Tanzsäle toben und die Kritiker jubeln. Renft selbst, 1942 in Jena als Klaus Jentzsch geboren, ist der alte Hase in der neuen Band. Schon 1959 tritt er das erste Mal mit einer Renft-Combo auf - der Name Renft ist der Mädchenname seiner Mutter. In Nylonhemd und Karo-Schlips, auf dem Kopf Elvis-Tollen aus Zuckerwasser, rockt die Band und die Leute rasen. Am Tag darauf wird die Gruppe verboten. So wird das nun immer gehen. Klaus Renft, der mit weichem Thüringer Dialekt spricht, ist eine Art Forrest Gump des DDR-Rock. Arglos immer dort, wo es kracht. Mit den Butlers gründet er in den 60ern die erfolgreichste Beatgruppe des Ostens. Die wird verboten - und Renft, der sich für einen unpolitischen Mann hält, steht plötzlich im Mittelpunkt des dadurch ausgelösten Gammleraufstandes in Leipzig. Dasselbe dann noch einmal mit Renft: Als die Band Westflucht und Wehrpflicht thematisiert, dreht der Staat dem Sextett den Saft ab.

Klaus Renft hat damals die Wahl gehabt. Einfach die Unruhestifter rausschmeißen! Der Rest hätte weitermachen dürfen. Aber Renft hat nicht mal drüber nachgedacht. "Keine Sekunde." Die Loyalität des Hobbymalers, der Konzerte mit geschlossenen Augen spielt und dabei in sich hineinlächelt, gehört den Freunden, nicht dem Staat.

So ist im Herbst '75 alles aus. Die Band zerbricht, es weht die Musiker auseinander. Klaus Renft geht in den Westen und arbeitet am Theater. Renft-Band, Rock-Ruhm und Renitenz verblassen zu ferner Erinnerung. Dass Renft in der DDR zum Kult wird, alte Platten wie Heiligtümer gehandelt werden und kein Lagerfeuer ohne "Apfeltraum" abbrennt - Renft hat davon nichts mitbekommen. "Ich dachte, wir sind vergessen."

Waren sie nicht. "Als ich das mitbekam, das war ein so phantastischer Moment", sagt Klaus Renft, der die großen Worte eigentlich scheut. Dieser Moment aber hält bis heute an. All die gestohlene Zeit, all die geraubten Jahre, die nie geschriebenen Lieder, die nie gespielten Konzerte, die dicken Bände Stasi-Akten, die Angst. Renft winkt ab. Hör die Band, wie sie spielt. Hör die alten Lieder, die immer noch ans Herz greifen. Es gibt keine Reue, keinen Zorn in Klaus Renft. Wie es war, so war es gut. "Wir haben doch Spuren hinterlassen", sagt er, "und wir hatten Spaß". Der Mann, der eine Legende ist, zieht an der Pfeife und stellt die Augen auf unendlich. Alles würde er wieder so machen, ganz genau so. "Ganz ehrlich", sagt Klaus Renft, gehüllt in eine Wolke dünnen Rauch,"ich bin glücklich."