Kirche Kirche: Wer waren die Heiligen Drei Könige?

Köln/dpa. - AlleBlicke fallen dann zwangsläufig auf die einzige starke Lichtquelledes Kirchenschiffs, den schimmernden Goldschrein auf einem Sockelhinter dem Altar.
Die ganze Kathedrale ist nur für den Inhalt dieses Sargs errichtetworden. Einer der größten Bauten der Christenheit für - ein paarKnochen. Die Namen derer, zu denen sie einmal gehört haben sollen,werden von der Bibel nicht überliefert. Heilig gesprochen worden sindsie nie. Dass es drei waren, ist reine Spekulation. Könige waren esgewiss nicht. Und doch werden sie von allen nur die Heiligen DreiKönige genannt.
Selten hat ein so kurzer Auftritt solche Spuren hinterlassen. Dreider vier Evangelisten erwähnen die Könige gar nicht. Nur Matthäusberichtet knapp von den «magoi», was wohl am besten mit«Sterndeutern» übersetzt werden kann. Die magoi waren Mitglieder derpersisch-babylonischen Priesterkaste, die sich mit Astronomie undAstrologie beschäftigten. Von einem Stern geleitet, finden sie Mariamit dem Jesuskind in einem Haus in Bethlehem - von einem Stall istnicht die Rede. «Sie taten ihre Schätze auf und schenkten demKindlein Gold, Weihrauch und Myrrhe.»
Von diesen drei Geschenken leitete der frühe christliche GelehrteOrigenes (185-254) ab, dass es dann auch drei Sterndeuter gewesensein müssten. Zu Königen wurden sie möglicherweise gemacht, weil esim Alten Testament eine Prophezeiung gibt, wonach der Messias - wenner denn eines Tages geboren werden sollte - Geschenke von Königenerhalten werde, wobei auch schon von Gold und Weihrauch die Rede ist.Um die Juden davon zu überzeugen, dass Jesus wirklich dieser Messiaswar, mussten seine Anhänger möglichst viele dieseralttestamentarischen Verheißungen in Erfüllung gehen lassen.
Aus eben diesem Grund bezweifeln heute auch viele Theologen, dassJesus in Bethlehem geboren wurde: Denn dass der Messias ebendort zurWelt kommen würde, ist auch so eine Prophezeiung. Sind dann am Endeauch die Heiligen Drei Könige eine Erfindung? «Das lässt sich sonicht sagen», antwortet der katholische Theologe Manfred Becker-Huberti, Autor des Buches «Die Heiligen Drei Könige». «Die Mehrzahlder Forscher hält die Heiligen Drei Könige heute in der Tat für einenliterarischen Kunstgriff. Aber es ist nicht ausgeschlossen, dass esauch anders gewesen sein kann.»
Einen wahren Kern könnte zum Beispiel der geheimnisvolle Sternhaben, der die Könige geführt haben soll. Matthäus berichtet, dasssie den Stern aufgehen sehen und sich von ihm zum Jesuskind führenlassen, «dort blieb er stehen». Der Prager Hofastronom JohannesKepler fand schon 1615 heraus, dass es im Jahr 7 vor Christus eineAnnäherung von Saturn und Jupiter gegeben hatte, wie sie nur alle 800Jahre vorkommt.
Im 20. Jahrhundert entdeckte der österreichische Astronom KonradinFerrari d'Occhieppo im Britischen Museum Keilschrift-Tafelnbabylonischer Astronomen - der Marduk-Priester-, auf denen eben jenesEreignis geschildert wird. Die Marduk-Priester beobachteten demnach,wie Jupiter und Saturn plötzlich zu verschmelzen schienen und zogendaraufhin nach Jerusalem, weil ihnen der Saturn als Stern der Judengalt. Dort sahen sie einen Lichtkegel über der Straße nach Bethlehem.Diese Schilderung ist durchaus glaubhaft, da es im Jahr 7 vorChristus drei dieser Planetenbewegungen im Abstand von Monaten gab,so dass die Marduk-Priester genug Zeit gehabt hätten, um bis nachIsrael zu reisen.
Die Anwesenheit babylonischer Sterndeuter im Land der Juden wäreallerdings ähnlich exotisch gewesen «wie ein Treffen iranischerAyatollahs in Nebraska», meint der amerikanische Buchautor Prof.Theodore Jennings Jr. vom protestantischen Chicago TheologicalSeminary. Wirklich klären lassen wird sich die Sache mit dem Sternwohl genau so wenig wie die Frage nach der Existenz der Heiligen DreiKönige - und vielleicht ist das ja besser so, frei nach Mark Twain,der einmal sagte: «Was mich an der Bibel stört, sind nicht die Teile,die ich nicht verstehe, sondern diejenigen, die ich verstehe.»
Fest steht hingegen, dass die Heiligen Drei Könige erst 500 Jahrenach Christi Geburt ihre Namen erhielten: In einer armenischenKindheitsgeschichte Jesu tauchen sie mit einem Mal als König Melkonvon Persien, König Gaspar von Indien und König Baltassar von Arabienauf. Um 725 sind daraus in einem Text des englischenBenediktinermönchs Beda Venerabilis Caspar, Melchior und Balthasargeworden.
Venerabilis schreibt ferner, dass Melchior ein Greis mit weißemBart gewesen sei, Balthasar ein Mann mittleren Alters mit schwarzemVollbart und Caspar ein bartloser Jüngling. Dazu ordnete der Mönchdie drei Könige den damals bekannten Kontinenten Europa, Asien undAfrika zu. Melchior wurde später meist als Mohr aus Afrika - undgleichzeitig Vornehmster der drei - dargestellt. Die Könige stehendamit für alle Menschen der Welt: alte und junge, Schwarze und Weiße.Mit der Zeit rankten sich viele Legenden um die drei sounterschiedlichen Könige. Selbst Goethe war davon noch angetan: «Dreiernste Könige mit Gefolg' und Schätzen nach Belieben», das seieinfach eine gute Story, fand der Dichter.
Im Mittelalter wurde die Geschichte von den Weisen aus demMorgenland auch als Theaterstück aufgeführt - es war der Vorläuferdes Krippenspiels. Und noch etwas entwickelte sich aus diesenVorführungen: Als die Dreikönigsspiele schließlich verschwanden,blieb die Figur des König Caspar als Kasperle zurück. Dieursprünglich nach vorne herunterhängende Zipfelmütze geht dabeidirekt auf die so genannte phrygische Mütze zurück, mit der dieWeisen auf frühen Abbildungen dargestellt wurden: Es war die typischeKopfbedeckung Kleinasiens - Phrygiens -, der möglichen Heimat derSterndeuter.
Schon Flavia Iulia Helena Augusta (250-330), die Mutter desrömischen Kaisers Konstantin I., hatte auf einer Pilgerfahrt inPalästina die - mutmaßlichen - Gebeine der Heiligen Drei Königeentdeckt. Über Konstantinopel gelangten die Knochen nach Mailand.Nach der Einnahme der Stadt durch Kaiser Barbarossa fand dessenKanzler, der Kölner Erzbischof Rainald von Dassel, die Reliquien inden rauchenden Trümmern einer Kirche. Ohne groß zu fragen, ließ ersie 1164 im Triumphzug nach Köln schaffen. «Sancta Colonia», dasHeilige Köln, entwickelte sich dank der Gebeine zum bedeutendstenWallfahrtsort nach dem Heiligen Land, Rom und Santiago deCompostella.
Der Goldschmied Nikolaus von Verdun erhielt den Auftrag, einenangemessenen Schrein für die Reliquien zu schaffen - es wurde dergrößte und kostbarste des Mittelalters. Auf der Vorderseite sindkurioserweise vier Könige zu sehen: Der vierte ist der damaligedeutsche Kaiser Otto IV. - selten dürften die Kölner einemLandesherrn so geschmeichelt haben.
Die Köpfe der Heiligen Drei Könige wurden um 1200 abgetrenntund - ohne Unterkiefer - auf einem so genannten Häupterbrettausgestellt. Von 1322 bis 1794, dem Jahr, als der Dreikönigsschreinvor den heranrückenden Truppen Napoleons im Sauerland in Sicherheitgebracht wurde, stand er unangetastet in der Achskapelle des halbfertigen Doms, der zu Ehren der Heiligen Drei Könige errichtet wordenwar.
Die Echtheit der Reliquien in Frage zu stellen, war langeunvorstellbar. Erst im 19. Jahrhundert nahm das wissenschaftlicheInteresse so weit zu, dass der Schrein am 21. Juli 1864 schließlichgeöffnet wurde. Zu ihrem großen Erstaunen fanden die Forscher diefast vollständigen Skelette eines 12-jährigen Jungen und zweier etwa30 und 50 Jahre alter Männer. Die drei Lebensalter, die auf zahllosenDarstellungen von den Heiligen Drei Königen symbolisiert wordenwaren, kamen also mit dem Alter der Gebeine überein.
Und das war nicht die einzige Überraschung. Mehr als hundert Jahrespäter, 1979, wurden die Stoffe untersucht, mit denen die Knochenumwickelt waren. Das Ergebnis: Es handelte sich um syrischen Damast,Pupur und Seide aus dem 2. oder 3. Jahrhundert nach Christus. DieSkelette waren damit älter als gedacht. «Dass sie allerdings aus dem1. Jahrhundert stammen - also aus der Zeit Christi - ist nicht vonhoher Wahrscheinlichkeit», sagt der Buchautor Becker-Huberti. Womitauch er - der ehemalige Pressesprecher des Kölner Kardinals JoachimMeisner - zugibt: Die Knochen im Kölner Dom sind gar nicht dieHeiligen Drei Könige.
Dennoch bestreitet Becker-Huberti, dass die Kirche den Gläubigenund Touristen etwas vormacht: «Was heute verehrt wird, sind nicht dieKnochen, das sind die drei Figuren, das ist die Idee der HeiligenDrei Könige. Und diese Idee besteht darin, sich auf eine lange Reisezu Gott einzulassen.» Becker-Huberti verweist auf die Sternsinger:Allein in Deutschland sind um die Jahreswende bis zum Dreikönigstagam 6. Januar eine halbe Million Kinder als Caspar, Melchior undBalthasar unterwegs, um Geld für Projekte der Entwicklungshilfe zusammeln. «Es ist die weltweit größte Initiative von Kindern fürKinder in Not.» Egal ob die Heiligen Drei Könige einmal gelebt habenoder nicht, heute sind sie auf jeden Fall sehr lebendig.