Kinostart: 22. November Kinostart: 22. November: «Persepolis»

Berlin/dpa. - Die Griechen nannten die einst prächtige persischeStadt Parseh «Persepolis». Ihre Ruinen gehören heute zum UNESCO-Weltkulturerbe. Sie sind ein Sinnbild dafür, dass der Iran weit mehrist als Kopftuch, Mullahs und Sittenwächter. Nach «Persepolis» hatdie in Paris lebende Iranerin Marjane Satrapi auch ihre Comicsbenannt. In ihnen erzählt sie von ihrer Kindheit in Teheran und ihrerJugend im Exil in Wien. Es geht um die islamische Revolution von1979, den Iran-Irak-Krieg und den Schatten des Fundamentalismus.
Vor allem aber handelt der Comic vom Erwachsenwerden, dem Lebenzwischen den Kulturen und von der Liebe zur Familie. Die Verfilmungist so brillant, dass sie für Frankreich in die Vorauswahl zur Oscar-Nominierung geht und auf den Europäischen Filmpreis hoffen kann. InCannes gab es den Großen Preis der Jury. Im französischen Originalsind Chiara Mastroianni und deren Mutter Catherine Deneuve zu hören.Die deutsche Großmutter spricht Nadja Tiller, die Rolle der Marjaneübernimmt Jasmin Tabatabai.
Die Optik ist angenehm-ungewöhnlich für an Disney und Pixargewöhnte Augen. Auf den ersten Blick sind die kugelig gezeichneten,an Linolschnitte erinnernden Figuren niedlich und lustig anzusehen,aber Satrapis Humor ist zugleich subtil und politisch. Der Film istwie die beiden Comic-Romane in schwarz-weiß gehalten, nur dieRahmenhandlung ist leicht farbig. 600 Figuren wurden imAnimationsstudio zum Leben erweckt. Effekte und Bilder sindfantasievoll, die Handlung anrührend. Wenn gegen Ende der Satz fällt«Die Freiheit hat immer einen Preis», und Marjane nicht nur dieHeimat, sondern auch einen geliebten Menschen verliert, ist dasgroßes Taschentuchkino.
Zentrale Figuren sind die kleine, rebellische Marjane, ihrcouragierter Onkel Anouche und die warmherzige Großmutter, die sichmorgens Jasminblüten in den Büstenhalter steckt, um gut zu duften.Aus den Augen des kleinen Mädchens lernt der Zuschauer, wie das Lebenim Iran der 70er Jahre gewesen sein muss, dass es dort belesene,mutige und humorvolle Menschen gegeben hat, die Opfer der Revolutionwurden und in den Gefängnissen verschwanden. Wie im Westen, so warenauch in Teheran einmal Nike-Schuhe, Punk und Michael Jackson beiTeenagern beliebt.
Doch Satrapis Kindheit ist wenig behütet, ihre Eltern schicken siein das für sie exotische wie fremde Wien, weil es im Iran zugefährlich wird. Bis heute fehlt der Pariserin die Heimatschmerzlich, aber zurückkehren kann sie nicht. Der Comic war für sieauch Vergangenheitsbewältigung. «Das ist kein Dok-Film über meinLeben, es geht um die Gefühle, die sich angesammelt haben», erzähltedie Zeichnerin bei der Deutschlandpremiere über «Persepolis». Mitihren biografischen Comics zählt sie zum noch jungen Genre der«graphic novels» wie man sie auch von Alison Bechdel («Fun Home») undArt Spiegelman («Maus») kennt.
Ähnliche Erinnerungen wie die 1969 geborene Satrapi hat auchJasmin Tabatabai, die ebenfalls in Teheran aufwuchs. «Ich bin dankbardafür, was Marjane Satrapi für den Iran tut. Sie gibt ihm einmenschliches Antlitz zurück», findet die 40 Jahre alte Schauspielerin(«Fremde Haut», «Bandits»). «Die Bilder aus dem Film sind sehr tief,sehr präzise und sehr wahr. Ich kenne keine bessere Darstellung deriranischen Seele - und des iranischen Humors.»
Satrapis und Vincent Paronnauds Film ist lehrreich undunterhaltsam. Er baut Vorurteile ab und erzählt viel über dieMenschen in einem Land, das wegen des Atomstreits wieder zumKriegsschauplatz werden könnte. Das ist nicht wenig für eineComicverfilmung.