Kinostart: 22. Januar Kinostart: 22. Januar: «Die Träumer»

Rom/dpa. - Ältere Regisseure neigen mitunter zu «kunstvoll komponierter Lüsternheit». Reichlich respektlos äußerte sich da ein Kritiker beim Filmfestival in Venedig über Bernardo Bertoluccis «Die Träumer». 63 Jahre alt ist Bertolucci mittlerweile. Vor 30 Jahren drehte er «Der letzte Tango in Paris». Marlon Brando trieb es mit einer blutjungen Französin auf dem Fußboden eines Pariser Appartements, das war damals erregend und provozierend zugleich. Seine heutigen Nacktszenen verströmen dagegen klebrige Schwüle, zugleich haftet ihnen eine unfreiwillige Komik an. Am Donnerstag (22. Januar), deutlich später als zunächst geplant, kommt der Streifen in die deutschen Kinos.
Die Geschichte geht so: Ein amerikanischer Filmstudent (natürlich in Sachen Erotik total unerfahren), kommt im Mai 1968 nach Paris, trifft ein französisches Geschwisterpaar (erotisch natürlich höchst raffiniert), das ihn mit in die Wohnung nimmt. Da geht es dann los in Sachen Amour. Alles dabei: Ein bisschen Kiffen, ein bisschen Sex, viel Gerede über Kino. Und die Mao-Büste lächelt dazu. Am Ende findet sich das Trio mit den revoltierenden Studenten auf der Straße wieder - warum, das wissen weder sie selbst noch die Zuschauer. Edith Piaf singt dazu: «Non, je ne regrette rien.» Bertolucci meint: «Extrem persönlich» sei der Streifen.
Immerhin, aus seinem Hang zum Voyeurismus hat der italienische Regisseur niemals einen Hehl gemacht. «Der Voyeur ist dazu verdammt, ständig den entsetzten Blick zu wiederholen, den das Kind auf seine Eltern bei der Liebe wirft», meinte er einmal über seine Arbeit. In «Die Träumer» irrt der Amerikaner Matthew (Michael Pitt) durch die düstere Wohnung und entdeckt die Geschwister Theo und Isabelle (Louis Garrel, Eva Green), wie sie nackt in einem Bett liegen.
«In Wirklichkeit ist der Film der Träumer, der Film träumt den Träumer», sagt Bertolucci. Das verstehe, wer will. «Die drei nackten jungen Körper werden durch den Film geträumt.» Im übrigen seien ihm die jungen Leute als «drei kleine Tiere» erschienen, die nicht erwachsen werden wollten. Untermalt wird das Ganze von einem mitreißenden Soundtrack der 60er Jahre, mit Jimi Hendrix, Janis Joplin und The Doors.
Und es geht ständig ums Kino, schließlich sind die drei «kleinen Tiere» begeisterte Cineasten. Mal spurtet das Bohème-Trio durch den Louvre, und die Älteren unter den Zuschauern wissen: Wie einst bei Godard. Dann amüsieren sie sich mit cineastischen Ratespielen, und als Theo verliert, muss er vor einem Marlene-Dietrich-Bild masturbieren. So etwas war vor Jahren eine Provokation. Aber heute? Bertolucci berichtet, vor dem Drehen in der labyrinthischen Wohnung habe er den drei Akteuren gesagt, sie würden es bald ganz normal finden, dass sie ziemlich häufig nackt rumlaufen müssen. Genau so sei es dann auch gewesen.
«Liebeserklärung an das Kino», schwärmten einige Fans in Venedig, wo der Streifen allerdings auch einige Pfiffe bekam. «Sinnliches Kammerspiel», meinten andere. «Ein Abenteuer, jenseits aller Konvention und Logik», meinte der Regisseur reichlich hochgestochen. Ansonsten trieb Bertolucci eine Sorge um. «Ich fürchte, dass der Film amputiert in die US-Kinos kommt.» Die Sexszenen liegen dem alten Mann am Herzen.