Kinostart 10. März Kinostart 10. März: RAF-Terroristin Gudrun Ensslin jung und verliebt

Frankfurt/Main/dapd. - Der renommierte Dokumentarfilmer Andres Veiel schildertin seinem am 10. März anlaufenden Spielfilmdebüt die Beziehungzwischen dem jungen Schriftsteller Bernward Vesper und der späterenTerroristin Gudrun Ensslin, die sich in den frühen Sechzigernverliebten.
Gegen Ende der Sechziger tauchte Ensslin nach einerKaufhausbrandstiftung mit Andreas Baader in den Untergrund ab. UndVesper, dessen autobiografischer Essay «Die Reise» zumSchlüsselroman der 68er Generation aufstieg, nahm sich 1971 dasLeben. Veiel hat bereits im Dokumentarfilm «Black Box BRD» dieBiografien des RAF-Nachzüglers Wolfgang Grams und des RAF-OpfersAlfred Herrhausen, Vorstandssprecher der Deutschen Bank,gegenübergestellt. Auch mit seinem penibel recherchiertenStationendrama will der studierte Psychologe die RAF-Inkubationszeitmit dem Blick aufs Private beschreiben.
Dokumentarfilmer Veiel konzentriert sich auf das Private
Besonders Menschen, deren jugendliche Sozialisation in derHochzeit der RAF stattfand, treibt das Thema um; so verfasste derkürzlich verstorbene Produzent Bernd Eichinger selbst das Drehbuchzum Drama «Der Baader-Meinhof-Komplex» von 2008, bei dem Ensslin inAktion zu sehen war. In Veiels Film ist sie anfangs noch eine brave,äußerst gewissenhafte Studentin, die in der Tübinger Uni Vesperkennenlernt. Das Paar, das sich anfangs siezt, gründet einen Verlag,zieht nach Berlin, wird Teil der linken Bohème, bekommt ein Kind …Als Alpha-Tier Baader auftaucht, unter dessen Einfluss Ensslinsozusagen aufblüht, ist die Beziehung jedoch schon zerrüttet.
Die TV-Bilder von Vietnamkrieg, «Jubelpersern», Benno Ohnesorg,Großer Koalition etc. bleiben hier Hintergrundrauschen. Statt aufPolitik konzentriert sich Veiel auf die Eltern, Stützen der Vor-beziehungsweise der Nachkriegsgesellschaft. Nazi-Dichter WillVesper, der seinen Sohn mit sadistischer Strenge erzieht, ist zwarinzwischen verfemt. Bernward aber, der sich lebenslänglich am Vaterabarbeitet, gründet den Verlag just zu dem Zweck, ihm ein Comebackzu bereiten. Ensslin, Lieblingskind eines schwäbischen Pfarrers,darf als einziges von sechs Kindern studieren. Papa ging einst inden Krieg, obwohl er ein Gegner Hitlers war - was ihm die Tochtervorwirft.
Nazi-Väter und gebrochene Söhne
Solche Auseinandersetzungen aber dürften damals an vielenKüchentischen geführt worden sein. So erscheinen die Sechziger alseine Zeit, in der alles offen war, die Stipendiatin Ensslin eineakademische Karriere machen und Vesper seinem Altvorderen denStinkefinger hätte zeigen können. Doch obwohl besonders August Diehlund Lena Lauzemis hervorragend spielen, wirkt die Inszenierungeinschläfernd und zaghaft. Auch bleibt vieles unklar, wenn sich derKreis um namhafte Intellektuelle, Verleger und spätereRAF-Mitglieder erweitert. Hier setzt Veiel zu sehr auf ein Publikummit viel Vorwissen. Das ist besonders schade, wenn zum BeispielVespers Mentor Walter Jens auftaucht.Später wollte sich derStarintellektuelle bekanntlich nicht mehr an seineNSDAP-Mitgliedschaft erinnern.
Auch gelingt es Veiel kaum, überraschende Details wie Ensslinsselbstzerstörerischen Liebeskummer, ihre Elogen auf Will Vespersdeutschnationale Gedichte, und nicht zuletzt Baaders Ohrfeigen,knackig zur Geltung zu bringen. Schließlich hat die elitäreSelbstherrlichkeit dieser dauerqualmenden Akademiker, die nieverstanden, warum «das Volk» partout nichts wissen wollte von ihrenselbsternannten Erziehern und Befreiern, auch eine unfreiwilligkomische Note. Um dies zu erkennen, fehlt Veiel leider die ironischeDistanz: Wo sind die Monty Pythons, wenn man sie braucht?