Kinopremiere am 22. August Kinopremiere am 22. August: "Feuchtgebiete"-Star: Kunst ist wichtiger als ich

München/dpa - Ruft man die Homepage carlajuri.com auf, bleibt der Bildschirm schwarz. Vielleicht ist die Seite noch in Arbeit, aber irgendwie passt es zu Carla Juri, dass selbst auf der Internetseite, die ihren Namen trägt, nichts steht. Die Schweizerin gibt nicht viel von sich preis - nicht einmal ihr Alter. Laut Wikipedia ist sie im Jahr 1985 geboren, auf der Seite ihrer Agentur steht kein Geburtsdatum.
Auf dem roten Teppich beim Filmfestival in Locarno gibt sie sich - schlicht in schwarz gekleidet - zurückhaltend, fast scheu, introvertiert und nachdenklich. Dabei gehört sie derzeit zu den spannendsten Neuentdeckungen des europäischen Kinos. Schon bei der Berlinale in diesem Frühjahr gehörte sie erwiesenermaßen zu den Shootingstars 2013 und wurde für den Film „Eine wen iig, dr Dällebach Kari“ (Someone Like You) ausgezeichnet. Dafür erhielt sie - ebenso wie für ihr Spiel in Cihan Inans „180º“ - auch den Schweizer Filmpreis.
Und jetzt ist sie in der Verfilmung eines Megasellers zu sehen: In der Kinoversion von Charlotte Roches „Feuchtgebiete“ spielt sie die Hauptfigur Helen Memel - die mit den Hämorrhoiden, dem gespaltenen Verhältnis zur Intimhygiene und dem ausschweifenden Sexualleben kämpft.
Es ist keine leichte Rolle, die sie sich da ausgesucht hat - und doch begeistert die junge Frau mit einer Eindringlichkeit und Präsenz, die ihr bei der Weltpremiere des Film in Locarno Beifallsstürme einbrachten. „Ich habe den Menschen gesehen und kein Monster“, sagt sie über ihre Rolle. Sie denkt lange und gründlich nach, antwortet sehr bedacht. „Nacktheit hat bei Helen eine emotionale Dimension und steht für einen seelischen Zustand. Es geht um existenzielle Nöte, um Einsamkeit.“
Sie könnte mit diesem Film groß rauskommen. „Sie kommt aus einem anderen Universum“, sagt Autorin Roche, Juris derzeit vielleicht größter Fan. Sie wünscht ihr, dass sie sich nach diesem Film „alle coolen Frauenrollen“ der Welt aussuchen kann. Doch der ganz große Erfolg scheint Juri gar nicht sonderlich zu interessieren. „Für mich ist jeder Film wichtig und jede Geschichte eines Menschen. Das ist größer als ich und mein kleines Leben.“
Der Weg in die Schauspielerei war nicht geplant, wie sie sagt. „Auf den Film bin ich eher per Zufall gekommen, weil es eine Mischung ist aus allen Kunstformen, die mich interessieren. Da war ich so 19, 20 Jahre alt.“ Ihre Ausbildung führte sie nach London und Los Angeles, wo sie die Meisner Technik studierte und von 2007 bis 2008 Mitglied im Ensemble der Theatrical Arts Theatre Company war. Auf der Bühne trat sie damals als Jeanne d'Arc auf.
Geboren wurde Juri im Tessin, sie wuchs zweisprachig - italienisch und deutsch - auf; fließend Englisch spricht sie auch, Schweizerdeutsch und gut Französisch. Als Hobbys nennt sie das Klavierspielen, Eishockey und modernen Tanz.