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Kino Kino: Vor 100 Jahren begann die Meuterei auf der «Potemkin»

24.06.2005, 05:59
Auf Befehl des Kapitäns sollen die wegen schlechter Verpflegung meuternden Matrosen, die zusammengetrieben an Deck des Panzerkeuzers stehen, erschossen werden. (Szene aus dem 1925 in Odessa gedrehten Film "Panzerkreuzer Potemkin" von Sergej Eisenstein.) (Foto: dpa)
Auf Befehl des Kapitäns sollen die wegen schlechter Verpflegung meuternden Matrosen, die zusammengetrieben an Deck des Panzerkeuzers stehen, erschossen werden. (Szene aus dem 1925 in Odessa gedrehten Film "Panzerkreuzer Potemkin" von Sergej Eisenstein.) (Foto: dpa) tass

Hamburg/dpa. - Das Jahr 1905 war für Russland eine höchst unruhige Zeit. ImJanuar wurden beim «Petersburger Blutsonntag» friedlicheDemonstranten zusammengeschossen, Hunderte starben. Einen Monatspäter verlor Russland bei Mukden (Shenyang) die bis dahin größteSchlacht seiner Geschichte gegen die Japaner. Im Mai wurde dierussische Flotte bei Tsushima versenkt, bevor sie in den russisch-japanischen Krieg auch nur eingreifen konnte. Die Schwarzmeerflotteblieb im Hafen, weil die Türken die Durchfahrt durch den Bosporusverweigerten.

An Bord der «Potemkin» gärte es, schreibt der MarinehistorikerThies Völker. Das Kriegsschiff war bei Schießübungen in der Nähe vonOdessa, als die Mannschaft sich über das Essen beschwerte. Madenwaren angeblich im Borschtsch, doch der Schiffsarzt, als Offiziervon der Zwei-Klassen-Versorgung profitierend, gab den Eintopf frei.Die Matrosen waren Schikanen und Demütigungen gewohnt, aber jetzttraten sie in den Essenstreik. Der Erste Offizier, als Schinderverhasst, ließ eine Persenning an Bord schaffen. Mit solch einerPlane wurden im 19. Jahrhundert bei Hinrichtungen die Decks vor demBlut geschützt.

Diese Persenning war der Funke im Pulverfass «Potemkin». Etwa 100der 600 Matrosen auf dem Linienschiff - kein Panzerkreuzer -meuterten und töteten die meisten Offiziere. Auch der Kapitän wurdean Bord aufgestöbert und ermordet. Ein «Schiffsrat», Rat heißt aufrussisch Sowjet, führte jetzt die «Potemkin» und ihr Begleitschiff,das Torpedoboot «No. 267».

In Odessa tobten damals seit Wochen Unruhen, das Militär ließHunderte von Menschen auf der Hafentreppe zusammenschießen -Eisensteins berühmte Kinderwagenszene. Die meuternden Matrosenfeuerten einige Zwölf-Zoll-Granaten auf die Militärführung. Nichteine traf.

Am 30. Juni traf der Rest des Geschwaders vor Odessa ein. Die«Potemkin» dampfte den drei Linienschiffen mit roter Fahne entgegenund mitten in die Formation hinein. In einem Gefecht hätte sie keineChance gehabt, schreibt der Historiker Völker. Doch zum Entsetzender Offiziere winkten die Matrosen ihren meuternden Kameraden nur zustatt das Feuer zu eröffnen. Nur eines der Dickschiffe liefallerdings zu den Kameraden über - und wurde bald von Zarentreuenauf Grund gesetzt. Die anderen Schiffe wurden von der Admiralitätrasch zurückgezogen, bevor auch sie von dem «roten Virus» befallenwerden könnten.

Aus der «Roten Flotte» wurde nichts, nur die «Potemkin» und die«No. 267» dampften über das Schwarze Meer. Der Versuch, imrumänischen Constanta (Konstanza) versorgt zu werden, scheiterte.Zudem war ein Zerstörer, besetzt ausschließlich mit freiwilligenOffizieren, unterwegs, um die Meuterer zu versenken. Als ein zweiterVersorgungsversuch scheiterte, öffnete die Mannschaft dieFlutventile und bat in Rumänien um politisches Asyl. Die Meutereiwar beendet.

Das Ende von Schiff und Mannschaft war ruhmlos. Das Schiff wurdeumbenannt, eine spätere Meuterei im Keim erstickt. AfanassiMatjuschenko, der Anführer der Meuterer, kehrte 1907 nach Russlandzurück, wurde jedoch bald verhaftet und gehängt.

Eine Fußnote der Geschichte, wenn nicht Sergej Eisenstein imAuftrag der Kommunistischen Partei den Propagandafilm «BronenosezPotemkin» gedreht hätte. Das cineastisch zu den großartigsten Filmenzählende Werk geht zwar mit der Geschichte recht tolerant um undverherrlicht und verteufelt holzschnittartig die jeweiligenGegenspieler. Doch der gewünschte Effekt war da: Der Film war soaufrührerisch, dass 1926 viele Staaten ihren Matrosen Kinoverboterteilten. Die «Potemkin» war da schon drei Jahre abgewrackt.