Kino Kino: «Die Kinder von Golzow» kommen auf die Berlinale

Golzow/dpa. - «Ich war lange nicht mehr hier.» Das sagt Jürgen Fröhlich, ein Filmkind aus Golzow (Märkisch-Oderland). Interessiert schaut er sich mit seinem Schulfreund Bernhard Guderjahn im Filmmuseum des Ortes um. In dem Museum ist die längste Zeit ihres Lebens auf Fotos und Videofilmen festgehalten. Die 50-jährigen Männerwaren in der Schulklasse, die Regisseur Winfried Junge von 1961 an mit der Film-Kamera begleitet hat. Es entstanden 18 Filme. Zur Berlinale kommt einer hinzu. Der Streifen mit dem Titel «Und wenn sie nicht gestorben sind ... Die Kinder von Golzow. Das Ende einer unendlichen Geschichte.» soll der letzte sein. Auf der Berlinale wird er am 11. Februar gezeigt.
Die Kinder von Golzow heißen Jürgen, Petra, Christian, Ilona undWinfried. Jedes von ihnen hat sein eigenes Schicksal, das Winfriedund Barbara Junge dokumentierten. Immer wieder tauchten sie in denmehr als vier Jahrzehnten mit der Filmkamera bei ihren Filmkindernauf. Sie beobachteten sie am Arbeitsplatz oder zu Hause in denFamilien. Das verbinde irgendwie, erzählt Winfried Junge. «Die sindan unserer Seite aufgewachsen. Manche sind ja schon Opa und Oma. Daentstehen natürlich Freundschaften.»
Bei den Dreharbeiten zu ihrem letzten Film dokumentierten Jungeseigentlich das Leben von zehn Kindern. Viel Filmmaterial schlummertnoch unbearbeitet, da der jüngste Film nur fünf Lebensläufe erfasst.«Wenn auf der Berlinale 'Zugabe' gerufen wird, dann kann ich noch aneinen weiteren Film denken», sagt der 70-Jährige. «Aber das ist dannwirklich der letzte. Man muss loslassen können.»
Die 18 bisherigen Filme schafften es in das Guinness-Buch derRekorde. Die Deutschen Kinemathek zählt sie zu den 100 bedeutendstenStreifen der deutschen Filmgeschichte. In Japan, Australien undAmerika flimmerten sie über die Kinoleinwände. Die Golzower sindstolz, dass sie in dem Ort wohnen, in dem so bedeutendeFilmgeschichte geschrieben wurde. «Wir sind Winfried Junge dankbarfür das, was er hier in Golzow geleistet hat», sagt ChristineLindner, die die Kinder früher jahrelang im Hort betreute.
Winfried Junge ist inzwischen Ehrenbürger von Golzow. «Er hat nieversucht, Golzow total umzukrempeln», berichtet BürgermeisterKlaus-Dieter Lehmann. «Das ist eine von wenigen Dokumentationen, diedas wahre Leben in der DDR zeigen. Da ist nichts gestellt worden.»
Die Premiere des wahrscheinlich letzten Films der Dokumentarreiheüber Golzow am 11. Februar wollen die Filmkinder wie Jürgen Fröhlichsamt Familie nicht verpassen. Wer immer von den Golzowern eine Karteerstehen kann, fährt zur Berlinale. Obwohl der Film viereinhalbStunden lang ist, wollen sie trotzdem anschließend darüberdiskutieren.
Bürgermeister Lehmann hat bisher keine Premiere verpasst und nurgute Erfahrungen gemacht. «Man merkt an den Fragen, ob die Leute dieDDR-Zeit miterlebt haben oder nicht», fand er heraus. «Die Meinungenzu den Filmen sind immer unterschiedlich. Aber anerkannt werden sievon allen», erinnert er sich.
Besonderes Interesse haben «Die Kinder von Golzow» bei Zuschauernin den alten Bundesländern geweckt. Auch von dort bekommtSchuldirektorin Ingrid Ostwald Anfragen. «Die meisten bitten umBildmaterial und Informationen», sagt sie. «Kürzlich wollte ein Herraus Schleswig-Holstein, der alle Filme kennt, unbedingt die Schuleansehen.» Die damalige polytechnische Oberschule «Paul Papke», in der1961 die Doku-Reihe begann, ist heute eine Gesamtschule. Dort wirdauch der letzte Film von Winfried und Barbara Junge enden, sofern eskeine Fortsetzung gibt.