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Kate Winslet mit «Der Vorleser» bei 59. Berlinale

06.02.2009, 15:05

Berlin/dpa. - Eine strahlende Oscar-Anwärterin und ein sympathisch bescheidener Nachwuchsstar aus Deutschland standen am Freitag im Mittelpunkt der 59. Berlinale.

Hollywood-Schauspielerin Kate Winslet («Zeiten des Aufruhrs», «Titanic») und der erst 18-jährige «Shooting Star» David Kross stellten bei den Internationalen Filmfestspielen Berlin die mit Spannung erwartete Bestseller-Verfilmung «Der Vorleser» vor. Stephen Daldrys («The Hours», «Billy Elliot») in den USA bereits kontrovers diskutierter, für insgesamt fünf Oscars nominierter Film basiert auf dem in 40 Sprachen übersetzten Roman des deutschen Autors Bernhard Schlink. Das Festivalpublikum nahm den «Vorleser» in einer ersten Pressevorstellung mit freundlichem Applaus auf.

Winslet spielt in der US-Produktion die ehemalige KZ-Aufseherin Hanna Schmitz, die eine Liebesbeziehung zu dem erst 15-jährigen Michael beginnt und ihm ihre dunkle Vergangenheit verschweigt. Der Jugendliche wird von Kross («Krabat») verkörpert, der beim diesjährigen Festival (bis 15.2.) als europäischer «Shooting Star» ausgezeichnet wird. Das aus Bargteheide in Schleswig-Holstein stammende Nachwuchstalent spielt den «Vorleser», der seiner wesentlich älteren Freundin im Bett aus Comics ebenso vorliest wie aus Werken der Weltliteratur.

«Ich hatte große Angst vor der Rolle, weil es so ein komplizierter Charakter ist», sagte die 33-jährige Winslet im dpa-Gespräch. «Ich habe mich immer wieder gefragt: Kann ich das tun? Bin ich gut genug? Habe ich die Dinge, die ich als Schauspielerin brauche?», sagte sie. «Ich frage mich das immerzu, bei jeder Rolle, aber zu Hanna konnte ich überhaupt keine Beziehung aufbauen, und das war für mich als Schauspielerin sehr, sehr beängstigend, weil man eigentlich ein paar Dinge haben muss, die einen mit dem Charakter verbinden», erklärte Winslet. «Ich musste Hanna auch als Mensch darstellen. Ich konnte nicht einfach "Hanna, das Monster" spielen.»

Die Herausforderung habe sie «fast umgebracht». Die Dreharbeiten hätten sehr viel Kraft gekostet. «Die Erfahrung war sehr schmerzhaft, und ich verarbeite sie noch immer.» Kross sagte, er habe stets Zweifel gehabt, ob er der Rolle gewachsen ist. «Aber das war auch der Motor, der mich vorangetrieben hat.» Besonders Angst habe er vor den Sexszenen gehabt. «Aber Kate und Stephen haben eine lockere Atmosphäre geschaffen.» Um die Nacktszenen mit Kross und Winslet drehen zu können, unterbrach das Filmteam zunächst seine Arbeit - und wartete, bis der junge Hauptdarsteller volljährig war.

Eines Tages verschwindet die als Straßenbahnschaffnerin arbeitende Hanna. Erst Jahre später sieht Michael sie wieder. Als Jurastudent verfolgt er einen Prozess, in dem sich fünf ehemalige Wärterinnen des Konzentrationslagers Auschwitz wegen 300-fachen Mordes verantworten müssen. Auf der Anklagebank sitzt auch Hanna. Diese Rolle sollte ursprünglich Nicole Kidman übernehmen, die dann aber wegen ihrer Schwangerschaft absagte.

Die grandios spielende Winslet ist für ihre Darstellung mit einem Golden Globe ausgezeichnet worden und auch für einen Oscar als beste Schauspielerin nominiert. Kross, bekanntgeworden mit Detlev Bucks «Knallhart», schlägt sich neben seiner erfahrenen Hollywood-Kollegin sehr gut. Er spielt den 15-jährigen Liebhaber mit der richtigen Mischung aus Neugier und Scheu, Lebensgier und am Ende schmerzhaftem Erwachen.

Amerikanische Kritiker des Films fragten zurecht, warum der Zuschauer denn die Ansichten einer so verstockten und uneinsichtigen Nazi-Täterin wie Hanna nachvollziehen und dabei am Ende womöglich noch Mitleid mit der Figur entwickeln solle. Tatsächlich zeigen Drehbuchautor David Hare und Regisseur Daldry die Täterin vor allem als Opfer. Als Frau, die einfach nur «Arbeit» gesucht hat, zusätzlich dadurch ins Abseits gedrängt, dass sie weder lesen noch schreiben kann und nicht den Mut hat, dies öffentlich auszusprechen.

Hier operiert der Film mit so viel Sentimentalität, die der Roman nicht ausstrahlt, dass die Behandlung des Themas «Schuld in der Nazidiktatur» am Ende zweifelhaft und oberflächlich wirkt. Wenn dann schließlich in langen Sequenzen gezeigt wird, wie Hanna im Gefängnis lesen und schreiben lernt und sich schließlich - quasi geläutert - zum Selbstmord entschließt - dann ist das kitschig und fragwürdig.

www.berlinale.de