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Karat-Sänger Karat-Sänger: Es schweigt der Schwanenkönig

Von Steffen Könau 13.12.2004, 18:46

Halle/MZ. - Dreilich, ein kleiner, stets ein bisschen rundlich wirkender Mann, war in seinen Liedern ein Romantiker, im richtigen Leben aber ein Kämpfer. In Österreich geboren und in England eingeschult, verschlug es ihn mit elf Jahren nach Halle. "Erst London - und dann dieses graue Halle! Die Leute zeigten mit Fingern auf mich, schon aufgrund meiner Kleidung", erinnerte er sich später an die Begegnung mit der neuen Heimatstadt.

Die ihm gar keine andere Wahl ließ, als sich ins Land der Phantasie zu flüchten. Nur oberflächlich betrachtet, führte Dreilich das ganz normale Leben eines DDR-Jugendlichen. Nach Arbeitsschluss in der Gebrauchswerber-Lehre zog es ihn magisch an die Orte, an denen Musik gemacht wurde. Dreilich spielte in einer Dixieland-Band, schloss sich dann Pantha Rei an, und wechselte dort ans Mikro, als der etatmäßige Sänger zur NVA musste.

Er ist nie wieder fortgegangen von diesem Ort, an den er gehörte. Mit Dreilichs Stimme kamen die Hits, mit den Hits kamen die Scheinwerfer. Einmal fanden sich sogar Reporter des West-Magazins "Bravo" bei den Superstars des Ostens ein. Herbert Dreilich war damals 38 Jahre alt, in seinem Berufsausweis stand "Musiker" und Peter Maffay hatte den Karat-Song "Über sieben Brücken" gerade im Westen herausgebracht. Der "Bravo" erzählte Herbert Dreilich, wie er Boxen schleppe bei jedem Auftritt. "Nicht so abgehoben" sei das Popstar-Leben im Osten, "irgendwie ruhiger."

Den Ausgleich besorgte die Musik seiner Gruppe. Karat-Lieder wie "Schwanenkönig" und "Albatros" meißelten aus Keyboard-Gebirgen, Gitarrenwänden und pathetischem Piano Mini-Opern mit Welterklärungsanspruch. Große Melodien, große Worte, vibrierende Stimmbänder! Herbert Dreilich, Besitzer einer samtweichen Balladenstimme, fuhr auf dem "Narrenschiff" und er beklagte das Wettrüsten auf dem "Blauen Planet", suchte die "Sieben Wunder der Welt" und war ein "Gefährte des Sturmwinds".

Lieder, ganz anders als das Leben hinterm Gitterzaun. Klangbilder gemalt mit dem Sehnsuchts-Pinsel. Sechs Millionen Platten voller Schmelz und grandiosem Gefühlsgesang verkaufte die Band, neben der selbst die Puhdys wirkten wie ein rüpelnder Rocker-Haufen.

Am Ende absolvierte Herbert Dreilich Konzerte auf einem Barhocker sitzend. Wenn er Kraft genug fand, schrieb er weiter Lieder, und zwei davon hat er sogar noch fertig eingesungen. Am Wochenende nun ist der Schwanenkönig verstummt. Herbert Dreilich starb eine Woche nach seinem 62. Geburtstag.