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Kapitalverbrechen in der DDR Kapitalverbrechen in der DDR: Magdeburger Journalist schreibt über Mord und Totschlag

Von Kai Agthe 25.07.2017, 20:13
Tatortfoto: Mord an einem Polizisten in Seehausen 1973
Tatortfoto: Mord an einem Polizisten in Seehausen 1973 Archiv Kaufholz

Magdeburg - Es sei ein Irrtum zu glauben, es habe in der DDR und auf dem Gebiet des heutigen Sachsen-Anhalt weniger Schwerverbrechen gegeben als in der Gegenwart, sagt Bernd Kaufholz. Der Magdeburger Journalist und Gerichtsreporter weiß zu berichten, dass die Zahl der Kapitalverbrechen – zu denen Mord und Totschlag zählen – in den Altbezirken Magdeburg und Halle ähnlich hoch war wie heute. Laut der Kriminalstatistik des Landes Sachsen-Anhalt für das Jahr 2016 „wurden acht Taten als Mord erfasst, davon sechs Versuche. Darüber hinaus sind in der Statistik 67 Fälle des Totschlags erfasst, davon wiederum 51 Taten als Versuch. In 22 Fällen handelte es sich um fahrlässige Tötung.“

Dass nachträglich jedoch der Eindruck entstehe, es wäre in der DDR friedlicher zugegangen als heute in der Bundesrepublik erklärt Kaufholz mit der stark eingeschränkten Berichterstattung über schwere Straftaten in den DDR-Staatsmedien. Meist wurde allein durch Gerichtsreportagen oder – wesentlich seltener – mittels Zeugenaufrufen in den Tageszeitungen für die Öffentlichkeit überhaupt kenntlich, dass sich ein schweres Verbrechen ereignet hatte.

DDR-Kriminalpolizei: Hohe Aufklärungsquote

Den Mantel des Schweigens über Kapitalverbrechen zu legen, hatte immer politische Gründe: Mord und Totschlag passten nicht zu dem „sozialistischen Menschenbild“, das zu propagieren die Staatsmacht nicht müde wurde. Der neue Mensch, die „entwickelte sozialistische Persönlichkeit“, durfte alles, nur kein Mörder und Totschläger sein.

Das Ministerium für Staatssicherheit habe sich immer dann in die Ermittlungen eingeschaltet, wenn eine Gewalttat politisch motiviert gewesen sein könnte oder sich gegen Angehörige der sogenannten „bewaffneten Organe“, also etwa gegen Militärs oder Polizisten, gerichtet habe, so Kaufholz. Es habe auch eine Berichtspflicht der Kriminalpolizei gegenüber der Stasi bestanden – umgekehrt galt das jedoch nicht.

Kaufholz betont aber, dass DDR-Kriminalpolizisten nicht als verlängerter Arm des MfS missverstanden werden dürfen, sondern diese ihrer Pflicht nachkamen, Täter zu überführen. Und das geschah in der DDR im Allgemeinen und im früheren Bezirk Magdeburg im Speziellen sehr erfolgreich: „Die Aufklärungsquote in Fällen von Mord und Totschlag lag bei über 90 Prozent“, sagt Kaufholz. Zu einem Kapitalverbrechen immer auch einen Täter präsentieren zu können, wäre wohl schwieriger gewesen, wenn nicht die Mauer ab 1961 die DDR vom Rest der Welt abgeriegelt hätte: Eine Flucht ins Ausland war da unmöglich. Und es gilt damals wie heute: „Der Großteil von Kapitalverbrechen waren und sind Beziehungstaten“, so Kaufholz. Auch das sorgt für schnelle Ermittlungserfolge.

In seinen inzwischen acht Büchern über authentische Kriminalfälle - in denen Kaufholz den Fokus auf jene Verbrechen legt, die im Bezirk Magdeburg geschahen - zeigt sich auch, dass Gerichtsverhandlungen zu Kapitelverbrechen in der DDR der 60er und 70er Jahren kaum mehr als eine Woche in Anspruch nahmen, während heute viele Monate bis zur Urteilsverkündung ins Land gehen können. „Die Fälle waren zu DDR-Zeiten viel stärker ausermittelt“, sagt Kaufholz. Was bedeutet, dass mehr Polizisten einen Fall bearbeiteten als heute und, auch daraus resultierend, die Aktenlage bei Verhandlungsbeginn eindeutig war. So dauerten Mordprozesse in der DDR oft nur zwei bis sechs Tage.

Wurden Geständnisse in der DDR mit Gewalt erpresst?

Ob Geständnisse von Verdächtigen seinerzeit durch physische oder psychische Gewalt erpresst wurden? „Für die von mir betrachteten Fälle gibt es dafür keine Anhaltspunkte“, sagt Kaufholz. Nach heutigem Ermessen sei es aber durchaus grenzwertig gewesen, dass Verhöre durch die Kripo oft viele Stunden und nicht selten bis tief in die Nacht dauern konnten. Der Rechtsstaatlichkeit habe zudem widersprochen, dass bei Befragungen von Verdächtigen damals keine Rechtsanwälte zugegen waren.

Nachdem die spektakulären Kapitalverbrechen aus dem Bezirk Magdeburg aufgearbeitet sind, hat sich der 64-Jährige nun auch der Fiktion zugewendet: Zwei Krimis um die Anwältin Tanja Papenburg hat Kaufholz bereits vorgelegt. Ein dritter Roman um seine Protagonistin soll in naher Zukunft folgen. Aber auch seine Recherchen zu authentischen Mordfällen in der DDR wird Kaufholz fortsetzen.

Der Antrieb für Verbrechen

Ob sich sein eigenes Menschenbild im Zuge des jahrzehntelangen Nachdenkens über Mord und Totschlag verändert habe? „Ich halte nicht allzu viel vom Menschen. Denn es gibt nichts, wozu der Mensch nicht in der Lage ist“, erklärt Kaufholz. Neid und Gier, Hass und Eifersucht - die Hauptursachen von Kapitalverbrechen - seien dem Menschen wesenseigen. Was letztlich auch heißt: „Es wird nie eine Gesellschaft ohne Straftaten geben.“

(mz)