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Kante Kante: Der Zombi im Zweilicht

19.08.2004, 09:32

Hamburg/dpa. - Und Kante enttäuschen nicht - ganz im Gegenteil: Die sehr hohe Erwartungshaltung von Presse und Fans wurde - wie schon bei dem Vorgängeralbum «Zweilicht» - mal wieder meilenweit übertroffen.

Die Freunde Peter Thiessen (Gesang & Gitarre) und Sebastian Vogel (Schlagzeug & Percussion) gründeten Kante 1995. Peter Thiessen wurde bis zu dem großen Erfolg des zweiten Kante-Albums «Zweilicht» (2001) allerdings überwiegend als Bassist der Hamburger Band Blumfeld wahrgenommen, von der er sich jedoch 2002 trennte. Sebastian Vogel war zwischen 1997 und 2000 Mitglied der Berliner Band Laub.

Kante bestehen weiterhin aus Andreas Krane (Bass), Thomas Leboeg (Klavier & Elektronik), Felix Müller (Gitarre & Tausendsassa) sowie dem assoziierten Bandmitglied Tobias Levin, der Kante seit dem ersten Album als Produzent und Gastmusiker begleitet.

1997 erschien das erste Album von Kante mit dem bezeichnenden Titel «Zwischen den Orten». Teilweise war der weitere Weg der Band bereits bei diesem Debüt absehbar. Ernsthaft und präzise durchkonstruierte Musik mit starker Rhythmik, die selbstvergessene und zeitlose Momente erzeugt. Gut gefiel auch der zu diesem Zeitpunkt noch recht ungewöhnliche Umgang und Wechsel zwischen deutschen und englischen Texten.

Knapp dreieinhalb Jahre nach diesem hauptsächlich in der gut informierten Musikszene wahrgenommenen Veröffentlichung schafften Kante ihren Durchbruch mit dem Album «Zweilicht». Die erste Single «Die Summe der einzelnen Teile» wurde in jeder Indiedisco rauf- und runtergespielt, bei Viva 2 auf schwere Rotation gesetzt und bei den Leser- und Redaktionspolls der Musikpresse auf die vordersten Plätze gewählt.

Kante wären aber nicht Kante, hätten Sie den Rest des Albums einfach an diese mitreißende (und ausnahmsweise tanzbare) Single-Auskopplung angelehnt. Das ganze Album «Zweilicht» wurde fast ausschließlich am Computer vorproduziert und anschließend von den Bandmitgliedern und Gastmusikern eingespielt. Das Album besticht durch umfangreiche Arrangements, die Kante-übliche Ernsthaftigkeit und Präzision, die zum Zuhören (und weniger zum Tanzen) auffordert.

Mit dem neuen Album «Zombi» haben Kante die Messlatte erneut höher gelegt. Konnte «Zweilicht» - zumindest bei manchen Stücken noch - nebenbei gehört werden, fordert das aktuelle Album ungeteilte Aufmerksamkeit. Einige musikalische Referenzen für «Zombi», die die Band kürzlich in einem Interview nannten, bewegen sich von den Veröffentlichungen afrikanischer Percussion-Künstler über das Talking-Heads-Album «Remain In Light» bis zu aktuellen Elektronik-Longplayern.

«Zombi» beinhaltet zehn Stücke, davon zwei rein instrumentelle Tracks. Die Texte der restlichen acht Stücke sind bis auf eine Ausnahme in deutscher Sprache gehalten. Der atmosphärische Opener «Moon, stars and planets» selbst ist nur mit einem kurzen englischen Text unterlegt. Das folgende Stück «Schwaches Gift» zählt zu den Höhepunkten des gesamten Albums und zieht den Hörer mit seinen ruhigen sphärischen Klängen knapp zehn Minuten lang in seinen Bann. Der Text behandelt die Wirkung eines schwachen Giftes, bei dem sich der Hörer zwangsläufig fragt, womit Körper und Geist eigentlich infiziert wurden? Mit einem Virus? Mit Zweifel? Mit Liebe? In den letzten Minuten läuft das Stück langsam ohne Gesang aus und erinnert dabei in seiner Ruhe, Entspanntheit und Präzision unweigerlich an Massive Attack. Wahnsinn!

Bei der Single-Auskopplung «Zombi» handelt es sich um einen Uptempo-Song, dessen Text sich ohne vorherige Kenntnis der musikalischen Begleitung schrecklich-schön lesen lässt: «Wir sehen unmöglich aus, tragen unser Innerstes nach außen, und laufen rum wie ohne Haut, unser Fleisch löst sich vom Knochen, man kann die Nerven einzeln zählen, unsere Stimmen sind wie Schreie».

Der Song «Ich kann die Hand vor meinen Augen nicht mehr sehen» erinnert dann schon wieder ein wenig an das majestätische Stück «Schwaches Gift» und behandelt in seinem Text die dringende Bitte nach Vergessen und nach einem Neuanfang. Zitat: «Ich will unbeschriebene Blätter, ich will verschwiegene Gräber, dass die Zukunft damit aufhört, sich in die Gegenwart zu spiegeln, ich kann es nicht mehr ertragen, ich will die Nacht an allen Tagen». Im Gegensatz zu der Single «Zombi» verstärkt hier die musikalische Begleitung die Wirkung des Textes, oder um es mit dem Presse-Info zu diesem Stück zu sagen: «Der Depri-Hammer!».

Unterm Strich bleibt, dass Kante mit Hilfe des Produzenten Tobias Levin, dessen Arbeit mehr als einmal auf Hülle und Booklet gewürdigt wird, wie erwartet und erhofft ein hervorragendes und zeitloses Album abgeliefert haben. Egal, was man von den ambitionierten Instrumental-Stücken («Baron Samedi», «New Babylon») oder von den bei manchen Tracks etwas sehr liedermacherisch wirkenden Texten halten mag: Kante erzeugen mit diesem Album einen unglaublichen Sog. Einige Songs dieses Album sind in ihrer melancholischen und ruhigen Art dermaßen auf den Punkt gebracht, dass man sich ihrer Wirkung nicht entziehen kann. Auf diesem hohen Niveau bewegt sich aktuell kaum eine andere deutschsprachige Band.