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Kabarettreife Sitzung zum Kölner Archiv-Einsturz

17.11.2009, 15:21

Köln/dpa. - In Köln kann es auch im Gerichtssaal wie im Kabarett zugehen. Diesen Eindruck nahm der Regisseur Franz-Josef Heumannskämper am Dienstag aus dem ersten Verfahren zum Einsturz des Kölner Stadtarchivs mit nach Haus.

Und er stand damit nicht allein, denn wie soll man es nennen, wenn die Protagonisten teils im breitesten Kölsch herumschreien, schimpfen, lachen, witzeln und Namen verballhornen?

Obwohl eigentlich sein Anwalt das Wort führte, meldete sich Heumannskämper - einer der Kläger - zwischendurch selbst zu Wort und sagte zu dem Vorsitzenden Richter Reinhold Becker: «Ich finde es komisch, dass Sie so viel Spaß haben.» Der Richter entgegnete, ja, er übe seinen Beruf eben gern aus. Heumannskämper war jedoch äußerst verärgert und warf dem Richter auch schlechte Vorbereitung vor: «So jemand wär' bei mir als Schauspieler sofort aus der Probe geflogen, das ist für mich eine Farce!» Ja, es war Stimmung in Saal 126 des Landgerichts.

Bei Heumannskämper schwang sicher auch Enttäuschung darüber mit, dass Richter Becker deutliche Vorbehalte gegen die Argumentation der Kläger erkennen ließ. Die Kläger sind Leihgeber, die dem Archiv wertvolle Dokumente anvertraut hatten. Sie meinen, dass die Stadt ihre Sorgfaltspflicht verletzt hat, und fordern deshalb die Rückgabe ihrer Archivalien oder Schadensersatz. Das Archiv war am 3. März eingestürzt. Dabei waren nicht nur unzählige einzigartige Dokumente beschädigt worden, sondern auch zwei Menschen gestorben.

«Die haben einfach geschlampt», erläutert ihr Anwalt Louis Peters, ein schwergewichtiges Kölsches Original mit beachtlichem Stimmvolumen. «Meine Argumentation ist: Ihr habt gesagt "Bei uns im Haus sind Risse", und ihr habt den Hintern nicht hochgekriegt.» Becker rief ihn während der Sitzung immer wieder zur Mäßigung auf: «Ich wär' ein bisschen vorsichtig mit dem "schlampig" und "grob fahrlässig gehandelt".»

Der Anwalt der Stadt Köln musste gar nicht viel sagen, es war Becker selbst, der darauf hinwies, dass die Stadt mehrere Statiker zurate gezogen habe, die alle keine Gefahr festgestellt hätten. Viel mehr könne man als Laie doch nicht tun. Peters fasste die Haltung des Richters spöttisch mit den Worten zusammen: «Ja, die Kölner sind eben immer schon schlampig gewesen.»

Peters zieht vor allem die Archivleiterin Bettina Schmidt-Czaia als Kronzeugin heran. Der «Kölner Stadt-Anzeiger» hatte sie kurz nach dem Einsturz gefragt, ob sie selbst mit dem Schlimmsten gerechnet habe. Antwort: «Wir im Archiv schon.» Dazu ließ sich der Anwalt der Stadt Köln, Winfried Schnepp, wie folgt ein: «Es kann nicht darauf ankommen, was Frau Schmidt-Czaia gesagt hat, sondern was sie gemeint hat.» So wurde es am Ende doch noch fachjuristisch.

Nachdem sich das Gericht vertagt hatte, war Heumannskämper sicher, dass der Richter die Klagen abschmettern wird: «Ein abgekartetes Spiel.» Peters aber gab sich kampfeslustig: «Wenn ich hier nicht gewinne, gewinne ich vorm Oberlandesgericht.»