Julio Iglesias Julio Iglesias: Wenn der Torwart singen lernt

Madrid/dpa. - Als Julio Iglesias mit 19 Jahren nach einem schweren Autounfall monatelang halb gelähmt im Krankenbett lag, schien alles vorbei. Aus der Traum von der Torwart-Karriere und dem Ruhm bei seinem Verein Real Madrid, wo er als großes Talent galt. Der spanische Schlagersänger, der am 23. September 60 wird, sollte dennoch die Stadien füllen. Mit seiner Stimme hat er Millionen Menschen rund um den Globus in seinen Bann gezogen, alle 30 Sekunden werde irgendwo eines seiner Lieder im Radio gespielt, heißt es. Falsche Bescheidenheit kennt «der bekannteste Spanier der Welt» deshalb nicht: «Ich bin heute ohne Zweifel der beste Sänger meiner Generation. Und der beste in meiner Sprache.»
So selbstbewusst klang er nicht immer. Als Stevie Wonder vor Jahren gefragt wurde, ob er nicht ein Lied mit Iglesias aufnehmen wolle, antwortete er: «Der soll erst mal Singen lernen.» Tatsächlich hat der gebürtige Madrilene, der seinerzeit selbst beim Schulchor abgeblitzt war, hart an sich gearbeitet. «Ich war ein Sänger mit wenig Stimme», bekennt er. «Aber irgendwann war ich soweit, mit Sinatra oder Sting singen zu können.» Auch das Duett mit Stevie Wonder gibt es längst, dazu Aufnahmen mit Diana Ross, Willie Nelson, Dolly Parton oder Paul Anka.
Seit nunmehr 35 Jahren steht Iglesias braun gebrannt auf der Bühne. BHs und Slips der weiblichen Fans fliegen zwar nicht mehr so wie einst. Auch sind die Konzertsäle kleiner geworden. Seine Gesten haben sich aber kaum verändert: Die wie zum Gebet aneinander gepressten Handflächen und sein dabei gebeugtes Haupt wurden zum Markenzeichen. «Die Musik ist der Motor und das einzige, was mich wirklich am Leben hält», sagt der «Schnulzenkönig», der schon längst nur noch aus Spaß an der Freude singt - und wohl auch, um das «Phänomen Iglesias» am Leben zu erhalten. «Jahrelang wollte er sein wie Sinatra. Jetzt, wo er es geschafft hat, möchte er Gott sein», sagte seine Ex-Frau Isabel Preysler einmal.
Geld spielt keine Rolle mehr. Iglesias kann es sich leisten, die Orangen für seinen Frühstückssaft direkt aus Spanien in seine Wahlheimat Miami einfliegen zu lassen. Denn seitdem er 1968 beim Musikfestival von Benidorm (nahe Alicante) mit «La vida sigue igual» (Das Leben geht so weiter) den ersten Preis gewann, hat er rund 80 Platten in mehreren Sprachen herausgebracht - darunter 8 auf Deutsch - und mehr als 250 Millionen Alben verkauft. Ohrwürmer wie «Hey», «Un canto a Galicia» («Wenn ein Schiff vorüberfährt») oder sein Duett mit Diana Ross «All of You» wurden Welthits.
Da kann selbst Michael Jackson nicht mithalten, geschweige denn andere Latino-Stars wie etwa Ricky Martin. Kein Solist hat bislang mehr verkauft als Iglesias, weiß das Guinness Buch der Rekorde. Mehr als 2600 Schallplatten in Gold und Platin sowie über 2500 Konzerte führt die Statistik auf. «Eigentlich verdiene ich mein Geld nicht mit meiner Stimme, sondern mit dem Kopf», meint der Sänger zu seinen lukrativen Verträgen, die er stets selbst aushandelt. Mit 57 Jahren holte er dazu sogar noch sein Jura-Examen nach.
Dass ihm seine Karriere lange wichtiger war als seine Familie, gibt Iglesias unumwunden zu. Seine Ehe mit Isabel Preysler zerbrach 1978. Aus der Verbindung stammen die Söhne Enrique und Julio José sowie Tochter Chabeli. Auch einen weiteren Preis forderte der Ruhm: Ende 1981 wurde sein Vater, ein bekannter Frauenarzt, von ETA-Terroristen entführt und nach 19 Tagen gegen ein hohes Lösegeld frei gelassen.
Heute dreht sich in Iglesias' Privatleben alles um seine niederländische Lebensgefährtin Miranda Rijnsburger, mit der er vier Kinder hat. Dass sein Sohn Enrique mittlerweile auch ein Star ist, wurmt ihn angeblich. «In der Öffentlichkeit machen sie auf Fair Play, aber im Grunde hat Julio den Erfolg seines Sohnes noch immer nicht verdaut», schrieb die Zeitung «El Mundo».