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Julia Jentsch reizte die Uneindeutigkeit an «Tannöd»

19.11.2009, 10:42

Hamburg/dpa. - Die Frage nach Schuld und Verantwortung in einer Gesellschaft stellt sich für die Schauspielerin Julia Jentsch täglich. Deswegen ist für die 31-Jährige ihr aktueller Film auch weit mehr als ein Krimi, der in einer längst vergangenen Zeit an einem sehr speziellen Ort spielt.

In einem Interview der Deutschen Presse-Agentur dpa sprach Jentsch («Sophie Scholl - die letzten Tage», «Effi Briest») über «Tannöd» nach dem Bestseller von Andrea Maria Schenkel und seine Interpretationsmöglichkeiten, seine Krimiqualitäten und ihre Arbeit mit Monica Bleibtreu.

Frau Jentsch, was hat Sie an diesem düsteren Stoff aus «Tannöd» gereizt, dass Sie die Hauptrolle übernommen haben.

Julia Jentsch: «Als ich den Roman gelesen habe, konnte ich mir gar nicht vorstellen, wie man da einen Film draus machen kann. Aber dann hat mir die Regisseurin Bettina Oberli erklärt, was ihr an dem Stoff wichtig ist - und zwar sowohl das Unheimliche und Krimihafte, aber auch die Psychologie und Verhaltensmodelle in einer Gesellschaft. Es geht ja um die Frage nach der Schuld und der Verantwortung, die sich jeder in diesem Dorf stellen muss. Das fand ich sehr spannend. Zudem ist der Film eben kein Krimi im klassischen Sinne mit einem Ermittler und einem eindeutigen Täter. Wie den Roman auch muss man den Film sehr vorsichtig lesen. Es geht nicht darum, nur einen Schuldigen zu finden. Das wäre zu einfach. Es gibt nicht nur eine Lösung, vielmehr zeigt der Film für mich verschiedene Erklärungsansätze für das Verbrechen auf. Dabei tappt der Zuschauer sehr lange im Dunkeln.»

Sie sind in Berlin aufgewachsen, leben in München. Waren Ihnen da die Geschehnisse in diesem bayerischen Dorf inmitten von dunklen Tannenwäldern, die Oberli in die 50er Jahre verlegt, nicht sehr fremd?

Julia Jentsch: «Ich seh' das gar nicht so weit weg von mir und uns heute. Für mich ist dieses Thema sehr zeitlos, weil es ja darum geht, welche Zeichen in der Gesellschaft wahrgenommen werden und wie die Menschen darauf reagieren. Man liest ja täglich Meldungen in der Zeitung, bei denen man sich fragt, ob jemand ein Verbrechen nicht hätte verhindern können. Warum keiner etwas gesehen hat und wer an tragischen Ereignissen oder auch Verbrechen eine Mitschuld trägt.»

In «Tannöd» haben Sie mit Monica Bleibtreu in einem ihrer letzten Filme zusammengearbeitet. Was haben Sie gedacht, als Sie im Mai 2009 hörten, dass sie gestorben ist?

Julia Jentsch: «Es hat mich total überrascht, obwohl ich von ihrer Krankheit wusste. Aber ich habe sie bei den Dreharbeiten als so tatkräftig und lebensfroh erlebt. Sie war ja eine komplett andere Generation, aber das fiel so gar nicht auf, weil sie ein sehr frisches Auftreten hatte und extrem lustig war. Und ich bin natürlich sehr dankbar für diese Begegnung und dass ich sie in ihrer Arbeit erleben durfte. Monica Bleibtreu war sehr kollegial und alles andere als eine Diva.»

Gespräch: Britta Schmeis, dpa