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Julia Engelmann Julia Engelmann: Nach welchen Prinzipien die Dichterin ihr Leben baut

Von Andreas Montag 24.12.2019, 09:00
Julia Engelmann singt beim Tollwood-Festival in München, 2018.
Julia Engelmann singt beim Tollwood-Festival in München, 2018. dpa

Magdeburg/Halle (Saale) - Diese Frau will es wissen. Im unschuldigsten, heiteren Sinne. Wer sie fragt, sollte damit rechnen, selbst Antworten geben zu müssen. „Woher nehmen Sie das?“, hakt Julia Engelmann sofort nach. So falsch war die Idee mit dem Psychologiestudium offensichtlich nicht, auch wenn sie es abgebrochen hat, des Schreibens wegen.

Sie sei doch zweifellos eine Künstlerin, die einen Plan hat, war die Frage gewesen. Nachdem sie gehört hat, dieser Schluss ergebe sich aus der Art ihres Auftretens, antwortet sie präzise. „Mich interessiert die Schnittstelle zwischen Poesie und Musik“, sagt sie. „Sympathisch“, kommentiert der Gegenüber spontan, womit er seine Rolle als Interviewer verlässt. „Da habe ich aber Glück gehabt“, gibt sie Bescheid. Und lacht.

Julia Engelmann ist neugierig auf Menschen. Und auf sich selbst. „Warum hab ich nie Geduld?“, fragt sie in einem ihrer Gedichte, es ist die Zwiesprache mit einem Freund.

Oder spricht sie die große Fangemeinde an, die nach Tausenden zählt bei Instagram und Säle füllt, wenn sie Konzerte gibt? 37 am Stück waren es im Jahr 2018.

Schlafen, um fit zu bleiben

„Das war schon sportlich, aber auch schön“, sagt sie. Um fit zu bleiben, hat sie versucht, nach Möglichkeit viel zu schlafen. 2020 folgt die nächste Tour, nach ein paar Einzelterminen zu Jahresbeginn. Einer davon, zum Programm des Dessauer Kurt-Weill-Fests gehörend, ist für den 5. März im Steintor-Varieté in Halle gebucht.

Alles Gute passiert immer langsam,

also warum hab ich nie Geduld?

Ich denke viel zu viel an alle anderen

und ich gebe mir zu oft die Schuld.

Und vielleicht könntest du mich verstehen,

wenn du besser wüsstest, was ich will.

Ja, ich weiß, du kannst mein Glück nicht sehen,

denn, wenn ich glücklich bin, dann werd ich still.

Julia Engelmann

27 Jahre alt ist Julia Engelmann. Geboren in Elmshorn in Schleswig-Holstein, aufgewachsen in Bremen, wo sie als Schülerin schon am Theater spielte und auch zu schreiben begann. Durch den „Bielefelder Hörsaal-Slam“ wurde die junge Dichterin später mit einem Mal bekannt, das Video von ihrem Auftritt wurde seit 2014 zwölf Millionen Mal geklickt. So fangen Karrieren an.

Inzwischen ist Julia Engelmann vor allem bei jungen Leuten überaus beliebt, die Kurve steigt immer noch an. Ein Star, zweifellos. Aber einer, mit dem man auf Augenhöhe reden kann - wenn man mithalten kann. Langweilen lässt sie sich garantiert nicht. Sie ist freundlich, offen und frei von Hochmut, sie will nicht bewundert werden, oder doch nur ein bisschen, und auf jeden Fall ernst genommen. So, wie sie ihre Umwelt ernst nimmt.

Als wir über Lyrik reden, notiert sie den Namen eines Dichters. „Ins Hausaufgabenheft“, sagt sie in spöttischem Ernst. Und das Heft ist natürlich kein Heft, sondern ein Smartphone. Schön, wie sie die Dinge im Auge behält, auch weiter zurückliegende. Aus einer Zeit vor ihrer Zeit. Doch, Mixtapes kennt sie noch. Und Schallplatten natürlich. „Vinyl ist ja wieder im Kommen“, sagt sie und findet auch die aufwendig zusammengeschnittenen Hörkassetten mit Lieblingsmusik gar nicht komisch, die man früher lieben Freunden schenkte.

Julia Engelmann beweist Humor

Heute kommt die Musik von Spotify, Julia Engelmann hat eine Playlist, ein Titelverzeichnis, das sie ständig ergänzt. Von Klassik bis Singer-Songwriter ist alles drin. Ob sie frühzeitig mit Musik kontaminiert worden sei? „Kontaminiert!“, sie muss über die ironisch formulierte Frage lachen.

Und dieses Lachen muss man eigentlich hören, weil es so gar nicht eingeübt und auf Wirkung bedacht klingt. Julia Engelmann ist „echt“. Und sie hat eine Menge Humor: „Meine Großeltern haben immer gesagt: ,Schön, dass es Dir solchen Spaß macht‘, wenn ich irgendwo gesungen habe“, erzählt sie freimütig.

Dabei schreibt sie fortgesetzt Gedichte und veröffentlicht Bücher, sie produziert Musikalben und tritt live auf, sie zeichnet und läuft auch mal durch die Szene eines Films, wie sie das nennt - aber immer, wenn Julia Engelmann drauf steht, ist auch Julia Engelmann drin: Direkt, pointiert, nachdenklich.

Juia Engelmann fand früh zur Musik

Zur Musik hat sie früh gefunden, sie sang immer schon gern, lernte beizeiten Klavier zu spielen. Wollte sie das oder musste sie das? Da scheiden sich ja in vielen Familien durchaus die Geister. Sie weiß nicht mehr genau, wie es bei ihr ganz am Anfang war. „Aber irgendwann wollte ich es dann“, sagt sie bestimmt.

Bekannt geworden durch Poetry Slam, diesen Kunst-Sport, bei dem Dichterinnen und Dichter auf der Bühne um den Sieg konkurrieren, ist sie stets in mehreren Genres zugleich unterwegs gewesen: Schauspiel, Lyrik, Bildende Kunst, Gesang.

Und so ist es heute noch, abgesehen vom Theater, dafür fehlt ihr die Zeit. „Und ich weiß auch nicht, ob ich das wirklich könnte“, sagt sie.

Wie Julia Engelmann ihr Leben baut

Das gemeinsame „Aufwärmen“ aber, die Übungen in der Gruppe, haben ihr viel gegeben. Was sie dort, am Bremer Theater, kennenlernte, Spontaneität, Freiheit, Miteinander, danach habe sie schließlich ihr eigenes Leben zu bauen versucht. Das klingt tatsächlich nach einem Plan.

Vielleicht ist Julia Engelmann gerade deshalb so beliebt bei ihren Altersgefährten, denen manche der Älteren Antriebsschwäche nachreden. Dabei sind junge Leute wie sie nur anders, und das ist auch gut so. Es ist ihr Leben.

Die Kunst der Gefühle

Julia Engelmann schreibt oft über ihre Gefühle. In einfachen Worten. Das ist die Kunst. Ihre Kunst. „Wenn ich glücklich bin, dann werd ich still“, hat sie in ihrem Adventskalender auf Instagram gepostet, ein schöner Vers. Er passt gut zu Weihnachten, das ja auch mit Stille zu tun hat.

Julia Engelmann wird das Fest bei ihrer Familie verbringen, wie immer: Eltern, Großeltern, der Bruder. „Meine Leute“ sagt sie. Für jeden gibt es nur ein Geschenk, es wird gewichtelt. Dazu kommt der Fotokalender, den die Geschwister den Eltern in jedem Jahr basteln. Das sind Tage, an denen sie auch ihre Freunde trifft, einen kleinen, festen Kreis.

Und das Handy, ohne das es sonst kaum geht und das einen beim fortgesetzten Blick auf die Klicks schon abhängig machen kann, liegt in der Ecke. „lass mal an uns selber glauben“, steht in ihrem Adventskalender. Das ist auch ein Plan.

››Die Website der Künstlerin: www.juliaengelmann.de (mz)