Jugend Jugend: Frisches Blut durch alte Rocker?

Wien/München/Berlin/dpa. - Der Familienvater mit den bunten Tätowierungen macht nicht immer den frischsten Eindruck. Trotzdem bricht Heavy-Metal-Altstar Ozzy Osbourne mit der Fernsehserie «Die Osbournes» Quotenrekorde - in Deutschland wurde gerade die zweite Staffel gestartet. Und auch die von Osbourne und seiner Band Black Sabbath mitbegründete Musikrichtung erlebt eine Renaissance: Newcomer und seit Jahrzehnten aktive Gruppen sorgen für volle Konzertsäle und erobern die Charts. Dennoch kämpft die Szene noch immer gegen das Vorurteil, zu Gewalttaten anzustacheln.
«In den letzten Jahren hat das Genre einen Aufschwung erfahren», sagt Andreas Wurscher, Mitarbeiter beim Forschungsinstitut Jugendkultur.at in Wien und selbst Mitglied einer Nu-Metal-Band. Nicht zuletzt den US-amerikanischen Vertretern dieses Stils, die auch Elemente von HipHop in ihren Sound einfließen lassen, sei die neue Popularität zu verdanken. Besonders erfolgreiche Bands sind Korn, System Of A Down oder Limp Bizkit. Aber auch «klassischer» Heavy Metal sei beim jungen Publikum wieder auf dem Vormarsch, so Wurscher.
Das kann Rolf Kasparek, seit rund 20 Jahren Sänger bei Running Wild aus Hamburg, bestätigen. Die Gruppe verzichtet auf Experimente, so wie andere erfolgreiche Heavy-Metal-Bands auch - etwa die vergangenes Jahr zu hohen Charts-Platzierungen gekommenen Manowar aus den USA, die englischen «Metal-Ikonen» Iron Maiden oder die deutschen Blind Guardian. Stattdessen wird auf das gesetzt, was den harten Rock seit den siebziger Jahren ausmacht: rauer Gesang und verzerrte Gitarren, kombiniert mit einem rebellischen Image und oft theatralischen Bühnenshows.
Gerade darin sieht Kasparek, bekannter unter seinem Künstlernamen Rock'n'Rolf, die Attraktivität von Heavy Metal: «Da gibt es die Feuereffekte und die Bühnenklamotten. Und auch das Rebellische spricht junge Leute an.» Auch Christof Leim, Redakteur bei der in München erscheinenden Zeitschrift «Hard Rock & Metal Hammer», betont neben der oftmals großen musikalischen Substanz das Abgrenzungspotenzial, das mit dem rauen Image einhergehe.
Dieses Image bringt dem Genre jedoch immer wieder auch negative Schlagzeilen ein: Darstellungen von Gewalt in Songtexten oder auf Plattenhüllen seien dafür verantwortlich, wenn Jugendliche tatsächlich gegen sich selbst oder andere gewalttätig werden, argumentieren einige Medienwissenschaftler. So stand Ozzy Osbourne in den achtziger Jahren vor Gericht, weil sich ein Teenager umgebracht und dabei den Osbourne-Song «Suicide solution» (Selbstmord-Lösung) gehört hatte. Die Richter sprachen den Rocker allerdings frei von dem Vorwurf, für den Selbstmord verantwortlich zu sein.
Aktuelleres Beispiel ist die Nu-Metal-Band Slipknot. Diese Gruppe soll der Amokläufer Robert Steinhäuser oft gehört haben, der vergangenes Jahr in einer Schule in Erfurt 16 Menschen und anschließend sich selbst umbrachte. Die weltweit erfolgreiche Gruppe provoziert, wie vor Jahrzehnten die Band Kiss, mit gewollt abstoßenden Maskierungen und derben Texten.
Zwischen dem brutalen Habitus der Band und dem Massaker von Erfurt bestehe jedoch keine direkte ursächliche Verbindung, sagen andere Experten und natürlich auch die Szenevertreter selbst. Vielmehr werde das Gehabe von Bands wie Slipknot von den Fans und oftmals auch von den Musikern selbst verstanden als «Unterhaltung durch Provokation». In manchen Fällen werde hier auch auf rüde Weise Kritik an den gesellschaftlichen Verhältnissen vorgebracht.
«Man sollte Jugendliche nicht für so blöde halten, dass sie nicht zwischen Image und tatsächlichen Inhalten unterscheiden können», sagt Arvid Dittmann, Musikexperte beim Archiv der Jugendkulturen in Berlin. Jugendforscher Wurscher ist sogar davon überzeugt, dass junge Menschen dazu eher in der Lage sind als Erwachsene.
Zwar gehöre es zur Strategie der Heavy-Metal-Bands, die ältere Generation durch etwas besonders Wildes oder Lautes herauszufordern. Allerdings bewege sich der allergrößte Teil der jungen Fans dabei letztlich doch «haarscharf am Tabubruch» vorbei, so Wurscher. «Man will die Eltern nicht zu sehr provozieren, das macht zu viel Ungemach.» Selbst Ex-Bürgerschreck Osbourne gibt sich in der Fernsehserie weniger aufsässig als selbstironisch.
Über die Frage, ob die «Osbournes» der Metal-Gemeinde frisches Blut zuführen werden, sind sich die Experten indes nicht einig. «Viele Leute schütteln darüber sicher den Kopf, das wird der Szene nur indirekt einen Schub geben», meint etwa Musikexperte Dittmann. Metal-Hammer-Redakteur Leim kann sich dagegen durchaus vorstellen, dass die Serie viele Jugendliche für harten Rock begeistert wird.
Ob mit oder ohne «Osbournes»: Die Zukunft des Heavy Metal scheint auf absehbare Zeit gesichert. «Es gründen sich nach wie vor immer wieder neue Bands», sagt Dittmann. Und dass für diese sogar bereits ein ganz junges Publikum existiert, hat Running-Wild-Sänger Rock'n'Rolf bei den jüngsten Tourneen seiner Band beobachtet: «Einige unserer Fans bringen mittlerweile ihre Kinder mit zu den Konzerten, die sind jetzt zwischen 12 und 16 Jahren alt.»