1. MZ.de
  2. >
  3. Kultur
  4. >
  5. Jubiläum: Jubiläum: Hellmuth Karasek wird 75 Jahre alt

Jubiläum Jubiläum: Hellmuth Karasek wird 75 Jahre alt

Von Britta Schmeis 02.01.2009, 07:09
Der Literaturkritiker und Buchautor Hellmuth Karasek sitzt in seiner Wohnung in Hamburg an einem Schreibtisch. (FOTO: DPA)
Der Literaturkritiker und Buchautor Hellmuth Karasek sitzt in seiner Wohnung in Hamburg an einem Schreibtisch. (FOTO: DPA) dpa

Hamburg/dpa. - Denn auch im 21. Jahrhundert schreibt der Autor,Kritiker, Moderator und Journalist alles mit der Hand. Und das nichtmal mit besonderer Freude. «Es ist ein Zwang. Ich schreibe nichtgern, aber ich habe immer gern geschrieben», sagt der Autor vonzahlreichen Artikeln, Büchern, Biografien, Glossen undTheaterstücken. Am 4. Januar wird Karasek 75 Jahre alt und kann inseiner Hamburger Altbauwohnung auf eine ganze Bücherwand mit eigenenWerken blicken.

Dabei ist der 1934 im damals tschecheslowakischen Brünne geboreneKarasek vor allem für seine wortgewandten Auftritte an der Seite vonLiteraturpapst Marcel Reich-Ranicki in der ZDF-Show «Das literarischeQuartett» (1988-2001) bekannt. Doch auch als die Sendung nach 77Folgen und 375 besprochenen Bücher eingestellt wurde, tauchte derumtriebige Kulturkritiker immer wieder auf dem Bildschirm auf - etwaals Kandidatenpate in Günther Jauchs «5-Millionen-SKL-Show», was ihmmitunter verächtliche Kritik einbrachte. «Ich kann an solchenFernsehauftritten nichts Ehrenrühriges finden», sagt er.

Er liebe nun mal das Publikum. Deswegen mache er Wilhelm-Busch-Lesereisen oder habe in der Vorweihnachtszeit Märchen im HamburgerMichel, der Hauptkirche St. Michaelis, gelesen. Zwischendurch aberschreibe er - gerade an einem Buch über «Männer und Frauen» -, mehrverrät er nicht. Da er immer zu Hause arbeitet, lässt er sichallerdings auch gerne ablenken. «Kein Echo zu haben, ist nicht sehrbekömmlich. Gerade nutze ich jede freie Minuten, um Uwe Tellkamps"Der Turm" zu lesen. Ein großartiger Roman, der sehr an die"Buddenbrooks" erinnert.»

Karasek begann seine Karriere als Journalist: 1960 stieg er beider «Stuttgarter Zeitung» als Redakteur ein und avancierte wenigspäter zum Feuilleton-Chef. Nach einigen Unterbrechungen wechselte er1968 als Theaterkritiker und Feuilleton-Redakteur zur in Hamburgerscheinenden Wochenzeitung «Die Zeit» (bis 1974). Danach arbeiteteer in verschiedenen Kultur-Funktionen beim Nachrichtenmagazin «DerSpiegel» (Hamburg). Über Jahrzehnte prägte er bei dem Wochenmagazindas Bild internationaler Dramatik, Literatur und Filmkunst inDeutschland.

Daneben arbeitete Karasek als Dramaturg, Moderator, Biograf etwades Filmemachers Billy Wilder oder unter dem Pseudonym Daniel Dopplerals satirischer Theaterautor («Die Wachtel»). Diese Umtriebigkeitsorgte bei seinem Arbeitgeber «Spiegel» für Argwohn. Über einenabgelehnten Artikel zu Helmut Dietls Film «Rossini» kam es 1996 zumvorläufigen Bruch. Nach vierjähriger Pause schrieb Karasek im Juni2000 wieder ein Titelgeschichte für das Magazin - über die FilmdivaMarlene Dietrich.

Sein Romandebüt gab Karasek 1998 mit «Das Magazin» - über dasintrigante Innenleben eines Hamburger Nachrichtenmagazins. Meistwurde das Buch verrissen, aber vereinzelt auch trotz Übertreibungenaks wahre Schilderung anerkannt. Im September 2001 veröffentlichte erseinen zweiten Roman «Betrug», die Geschichte eines Ehebruchs, undstieß damit erneut auf geteiltes Echo. Neben Fiktionalem prägt vorallem Autobiografisches Karaseks Schaffensliste. «Ich habe über meinLeben schon zwei Bücher geschrieben», sagt Karasek. Dadurch sei diepersönliche Vergangenheit objektiviert und werde einem selbst fremd.

Ihn habe seine Kindheit im Dritten Reich am meisten geprägt.«Durch den Krieg hat man gelernt, dass kein Stein auf dem anderensteht, nichts Bestand hat und man immer misstrauisch bleibt.» DerSchliff und Drill, der ihm als Junge in der Hitlerjugend und in einerNazi-Eliteschule vermittelt worden sei, habe bei ihm wenigernachhaltig gewirkt.

Karasek mischt sich immer wieder in öffentliche Diskussionen ein.Nach dem Waffen-SS-Geständnis von Günter Grass im Sommer 2006 bezoger als einer der ersten Stellung. «Das Komitee hätte ihm wohl nie denPreis zugestanden, wenn seine Vergangenheit vorher bekanntgewesenwäre», ist er noch heute überzeugt. Doch nicht die Tatsache selbstsei das Schlimme, sondern der Umgang damit. «Man kann anderen nichtihre Biografie vorwerfen, wenn man seine eigene verschweigt.»

Obwohl ihm das Schreiben schwerfällt, denkt Karasek keineswegs ansAufhören. Trotz jahrzehntelanger Autoren-Tätigkeit geht dembodenständigen Intellektuellen und Vater von vier erwachsenen Kindernauch heute noch das Schreiben zum Beispiel regelmäßiger Glossen inverschiedenen Tageszeitungen «nicht leicht von der Hand», wie ersagt. Zum Ausgleich liest er da gerne die Werke von Schriftsteller-Kollegen - oder geht zum Seniorenschwimmen.