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John Heartfield John Heartfield: «Benütze Foto als Waffe!»

Von CHRISTIAN EGER 08.07.2009, 15:34

BERLIN/MZ. - Oder die gegen den Völkerbund agitierende Collage von 1932, die eine auf ein Bajonett gespießte weiße Taube zeigt. Werke, die in dem Maße zum kollektiven Bildergedächtnis gehören, wie deren konkreter gesellschaftlicher Anlass ins Vergessen geraten ist.

So ist es ein Verdienst der Berlinischen Galerie, unter dem Titel "Zeitausschnitte" Fotomontagen John Heartfields aus den Jahren von 1918 bis 1938 zu präsentieren. Eine Schau, die das Hauptwerk in seinem zeitlichen und sachlichen Zusammenhang begreifbar macht. Denn nicht nur im Osten, auch im Westen wird Heartfield doch vor allem als ein Meister des antifaschistischen Kampfplakates wahrgenommen. Weniger als ein Mann, der bereits vor seinem bildnerischen Engagement für die kommunistische Bewegung ein Leben als Künstler geführt hatte. So gehört Heartfield, der 1891 als Helmut Herzfeld in Berlin geboren wurde, wo er 1968 starb, zwar in die erste Liga der deutschen bildenden Künstler, im Blick auf sein Gesamtwerk aber zu den unbekannten.

Die Ausstellung zeigt 140 Exponate aus dem Heartfield-Archiv der Akademie der Künst in Berlin. Mit der im Juni 1917 veröffentlichten "Kleinen Grosz-Mappe" des Malik-Verlages, der 1916 von Heartfields Bruder Wieland Herzfelde (1896-1988) gegründet worden war, geht die Schau über Heartfields Buchumschläge, Zeitschriftendrucke und Originalmontagen voran ins Jahr 1938. Von Prag aus floh der Künstler damals nach London, wo nach der Boheme- und Polit-Phase sein drittes, nämlich das tatsächliche Exil-Leben begann, das Ab- und Ausschluss hieß. Von 1950 an sollte ein viertes Leben in der DDR folgen - ein Nachleben zu Lebzeiten.

Großartig der Auftakt der Ausstellung, der Heartfields Ursprünge in der Dada-Bewegung zeigt, jener 1915 gleichzeitig in Zürich und New York entstandenen Kunstrichtung, die alles Traditionelle angriff. "Die Dadaisten anerkennen als einziges Programm die Pflicht, zeitlich und örtlich das gegenwärtige Geschehen zum Inhalt ihrer Bilder zu machen", schrieb Heartfields Bruder Wieland von Berlin aus. Weshalb also die Dadaisten "die illustrierte Zeitung und die Leitartikel als Quelle ihrer Produktion ansehen. Collagen und Montagen sind die gegebenen Verfahren zur Verwirklichung des Programms."

In der Schau sind die von Heartfield gemeinsam mit George Grosz gefertigten und verlegten Collagen zu sehen wie "Leben und Treiben in Universal-City" oder "Jedermann sein eigner Fußball." An der Collage hielt Heartfield fest, als er die Dada-Bewegung verließ: weg von der Irritation des bürgerlichen Publikums, hin zur Mahnung und Belehrung der Volksmassen. Mit der Losung: "Benütze Foto als Waffe!". Letzteres löste Heartfield sinnfällig ein, in dem er sich selbst auf einer Collage mit dem Berliner Polizeipräsidenten und Sozialdemokraten Karl Zörgiebel vorführte, der für die Tötung von über 30 Menschen im Zuge des "Blutmai 1929" mitverantwortlich war. Die Montage ist, zeigt sich hier, eben auch inhaltlich ein Medium der Aggressivität: des buchstäblichen Eingreifens nämlich als ein Zerstückeln und Neuzusammensetzen.

Die bekanntesten Heartfield-Collagen entstanden von 1930 bis 1938 für die "Arbeiter Illustrierte Zeitung": In der Schau sind die Originalvorlagen und Drucke zu sehen. Legendär wie die von Heartfield gestalteten Buchumschläge des Malik-Verlages, von denen Tucholsky sagte, dass er gern selbst ein solcher Umschlag sein würde. Zu Tucholskys Buch "Deutschland, Deutschland über alles" (1929) lieferte Heartfield Fotos und Collagen, die in der Schau ausgelegt sind. Zum Beispiel Gesichter von Militärs über der Zeile "Tiere sehen dich an". Ein Bild, das Tucholsky einen "Klaps vor den Magen" versetzte: "Es ist mir zu klobig" klagte er über das Motiv. Ohne das "Klobige" aber, zeigt die Versammlung der Heartfield-Collagen, ist der Effekt für die Massen nicht zu haben.

Bis 31. August: Berlinische Galerie, Alte Jakobstraße 124-128, Mi-Mo 10-18 Uhr. Katalog 176 Seiten, 19,80 Euro