Johannes Heesters Johannes Heesters: Der Charmeur von nebenan wird 100 Jahre alt

Halle/MZ. - Deutschland ist ihm zum Schicksal geworden: Hier hat er sein Glück gemacht, hier ist er (wie viele seiner Schauspielerkollegen) von den Nazis für ihre Kino-Scheinwelt benutzt worden, hier eröffnete sich dem unverwüstlichen Charmeur eine lange, bis in diese Tage andauernde Nachkriegskarriere. Sein Erfolg ist beispiellos. am Freitag feiert Johannes Heesters, der Deutschen liebster Holländer, seinen 100. Geburtstag.
Es mag unschicklich scheinen, einem derart gesegneten, dieser Tage zu Recht mit allen öffentlichen Ehren überschütteten Jubilar seine Karriere im Dritten Reich unter die Nase zu reiben - doch ist man ja in keinem Lebensalter seiner Biografie ledig, auch mit hundert nicht.
Nur ist diese Jahreszahl offenbar eine magische Wegmarke, an der jenseitige Verklärung beginnt. Um Leni Riefenstahls 100. Geburtstag schien es wenigstens so, aber dies ist ein ganz anderer Fall. Heesters war kein Propagandist - und er versucht der Kritik an seiner Rolle im Durchhaltezirkus der Nazis nicht auszuweichen. Verständlich, dass ihn der Protest, der ihn aus seiner Heimat Holland verfolgt, traurig macht. Der Vorwurf: Heesters verdiente in Berlin viel Geld, während die Deutschen seine Heimat besetzt hielten. Veröffentlichungen über den Besuch (und einen von ihm bestrittenen Auftritt) des Ufa-Stars im Konzentrationslager Dachau bei München (1941) taten ein Übriges, sie markieren einen dunklen Punkt auf dem reinen Frackhemd. Dafür hat Heesters vor einem Jahr bei seinen Landsleuten und seiner Königin um Vergebung gebeten: "Ich habe alles getan für meine Karriere, nicht für Herrn Hitler und nicht für die SS."
Tatsächlich hat es den Anschein, als machten manche unserer holländischen Nachbarn den Schauspieler quasi zum Sündenbock und arbeiteten an ihm ihre eigenen, verdrängten Geschichtskapitel aus der Besatzungszeit ab. Jüngeren steht ein gewisses Maß an Vorsicht gut zu Gesicht, wenn sie die Taten von Menschen zu Zeiten beurteilen wollen, da sie selbst nicht in Verlegenheit kamen, Mut zu zeigen. Und es ist ehrenvoll, einem Angegriffenen beizustehen. Gleichwohl fasst der Kritiker Hellmuth Karasek im Vorwort zu Jürgen Trimborns aktueller Heesters-Biografie zu kurz: Ohne Heesters wäre nichts anders gewesen in der Nazizeit. Das ist zwar wahr, aber auch billig.
Wer Muße hat, sich auf Trimborns liebevolles wie kritisches Buch über "Jopie" einzulassen, wird mit einer Fülle von Fakten und Hintergründen belohnt werden. Heesters, Kaufmannssohn aus Amersfoort, der früh seine Liebe zum Theater entdeckte, tritt uns hier nicht nur in Frack und Herzensbrecherpose entgegen, sondern wird kenntlich auch als Mensch in seinen Schwächen. Vielleicht ist es neben seinem unvergleichlichen Lächeln ja dies, was die Deutschen so an ihm fasziniert: das Eigene im Nachbarn.
Jürgen Trimborn: "Der Herr im Frack", Berlin, Aufbau-Verlag 2003, 528S., 24,90 Euro.
