Joachim Fest Joachim Fest: «Das Kreuz meiner Generation»

Kronberg/Taunus/dpa. - Die genießenandere Menschen seines Alters längst: Am Samstag (8.12.) wird JoachimFest 75 Jahre alt. Feiern will er mit Familie und Freunden in seinemHaus in Kronberg im Taunus.
«Ich wollte die Hitler-Zeit nie zu meinem Lebensthema machen»,sagt der 1926 in Berlin als Lehrersohn geborene Fest. «Aber das istwahrscheinlich das Kreuz meiner Generation. Die Generation vorher wardie Generation der Mitmacher. Die Generation danach hatte für allesirgendeine Platitude bereit und glaubte sich hoch überlegen. Zwischendiesen Fronten sah man sich und wollte der Sache auf den Grund gehen:Wie konnten Hitler und das Dritte Reich passieren?»
Das neue Buch soll im Frühjahr im Verlag seines Sohnes AlexanderFest erscheinen. Es schildert die letzten Tage im Führerbunker,Hitlers Selbstmord, aber auch die Leiden der Bevölkerung kurz vorKriegsende und den «Wahnwitz der Leute, die bis zuletzt weitergekämpft haben».
Jedes seiner Bücher - darunter die viel beachtete Hitler-Biografievon 1973, «Staatsstreich - Der lange Weg zum 20. Juli» über dasHitler-Attentat (1994) oder die Biografie des Nazi-Baumeisters AlbertSpeer (1999) - sei für ihn eine «verpasste Gelegenheit, über dieDinge zu schreiben, die mich wirklich interessieren.» Über Mozart undWagner oder die italienische Renaissance hätte er gern ausführlichergeschrieben, «aber die Nazi-Themen haben sich immer dazwischengedrängt».
Angefangen hat das beim RIAS Ende der 50er Jahre, nach seinemStudium (Jura, Geschichte, Soziologie, Germanistik, Kunstgeschichte)in Freiburg, Frankfurt und Berlin. Seine Geschichtssendungen für denRIAS mündeten 1963 in das Buch «Das Gesicht des Dritten Reiches».Dieses Thema ließ ihn fortan nicht mehr los.
Fests Vater hatte Kontakt zum Widerstand und machte aus seinerVerachtung für Hitler keinen Hehl. 1933 wurde er von den Nazis ausdem Schuldienst entlassen, die Familie stürzte aus gutbürgerlichenVerhältnissen «mit Kindermädchen und allem, was dazu gehört, in sehrfrugale (bescheidene) Verhältnisse» ab, sagte Fest einmal in einemInterview.
1961 wechselte Fest vom RIAS zum NDR nach Hamburg, wurdeChefredakteur für Zeitgeschehen, moderierte unter anderem das Magazin«Panorama». 1973 berief ihn die FAZ als Kulturchef in ihrHerausgeber-Gremium. Zwei Jahrzehnte prägte Fest das Blatt mit undbezog als konservativer Intellektueller Stellung, kritisierte unteranderem die 68er-Bewegung und das «linke Establishment». Auch der«Historikerstreit» Mitte der 80er Jahre fiel in seine Ägide. Ende1993 schied Fest aus der FAZ aus, sein Nachfolger wurde FrankSchirrmacher.
Der Generation der heute 30- bis 40-Jährigen attestiert Fest«exorbitanten Hochmut über ihre Väter und Großväter, die 1933 sofürchterlich versagt haben». Er ist jedoch überzeugt, die heutigenpolitischen Wortführer würden «noch viel schrecklicher versagen alsdie damalige Generation». Viele Grundsätze gälten heute nicht mehr,weil die Wertevermittlung nicht mehr funktioniere. «Schulen,Elternhäuser, Kirchen und Medien fallen dabei aus», urteilt Fest. Dassei zwar allgemein bekannt, «aber es folgt nichts daraus». Das seiüberhaupt die «Krux dieser Bundesrepublik: Wir haben alle fabelhafteIdeen davon, wie es sein sollte. Nur keiner setzt es durch.»