Nach der Kelly-Family Jimmy Kelly: Warum er nach der Kelly Family Straßenmusiker war
Er stand nicht mehr da, wo er früher immer gestanden hatte, umlagert von Fans, die ihn anschmachteten, während er oben auf der Bühne „An Angel“ sang.
Nein, in diesem Sommer 2015 ist Jimmy Kelly zwar auch wieder auf dem Laternenfest in Halle, wo seine Familie früher Triumphe feierte. Aber seine Bühne ist die blanke Straße, ein ganzes Stück weitab des Festgeländes.
Vor einer Einfahrt, an der die Leute, die zu den Konzerten auf der Peißnitz wollen, zwangsläufig vorübermüssen, hat der damals 44-Jährige sein Wägelchen abgestellt, die kleine Verstärkerbox aufgebaut, die Gitarre umgeschnallt und die Mundi im Ständer festgedrückt.
Jimmy Kelly: Von der Kelly-Family zum Straßenmusiker
Jimmy Kelly, einst Plattenmillionär und Bravo-Posterboy, ist Straßenmusiker geworden. Und das keineswegs freiwillig, wie der drittälteste Sohn des einstigen Kelly-Patriarchen Dan Kelly in seinem Beicht-Buch „Streetkid - Fluch und Segen, ein Kelly zu sein“ gesteht.
Den Segen genoss der in Spanien geborene Komponist von Kelly-Hits wie „Cover the road“ und „Nanana“ bis Anfang der 2000er Jahre. Die Kelly-Family war aus ihren Anfängen, als sie regelmäßig auch in Halle mit Straßenkonzerten für Aufsehen gesorgt hatte, mitten in die Hitparade gewachsen. Drei Alben landeten auf Platz 1 in den Charts, die Kellys verkauften 20 Millionen CDs und eroberten sogar den chinesischen Markt.
Eine Familie, die alle Branchengesetze zu verspotten schien, die nach stromlinienförmiger Vermarktbarkeit riefen. Doch als Familienvater Dan starb, der die Truppe teils mit harter Hand zusammengehalten hatte, war es vorbei mit dem alternativen Erfolgskonzept.
Musiker Jimmy Kelly: Den Beruf nach der Kelly Family auf der Straße neu gelernt
Die Kelly-Band brach auseinander. Und Jimmy Kelly, eben noch auf Rosen gebettet, wusste nicht mehr, wie er seine Frau Meike und die beiden gemeinsamen Töchter ernähren sollte.
In dieser Situation blieb dem Mann, der von sich selbst sagt, dass er damals nur leidlich Gitarre spielte, weil das bei den Kellys immer andere erledigt hätten, nur der Schritt zurück auf die Straße.
Naheliegend, aber nur für Außenstehende. Denn Jimmy Kelly, aufgewachsen in den Fußgängerzonen des ganzen Kontinents, musste den Beruf des Musikers draußen auf dem Boulevards der Republik neu lernen.
Jimmy Kelly: Die eigene Familie über die Runden bringen
Niemand mehr, der die besten Plätze organisiert. Niemand mehr, der Gitarre spielt. Niemand mehr, der Zuspruch gibt oder einfach sagt, Du musst. Bemerkenswert offenherzig erzählt der Mann mit der Vorliebe für Karohemden von seiner schweren Häutung zu dem „Streetkid“, als das er sich heute selbst bezeichnet.
Die Straße ist ein Kampf und die Lügen, mit denen er ihn anfangs führt, halten nicht lange. Bei einem Streit mit Punks in Rostock, die ihn von seinem Platz vertreiben wollen, gesteht Kelly erstmals öffentlich: „Hört zu, ich habe Frau und zwei Kinder und wir brauchen das Geld, deshalb spiele ich hier.“
Von diesem Tag an schämt sich der Star nicht mehr, auf der Straße singen zu müssen. Jimmy Kelly, inzwischen auch wieder mit der neuformierten Kelly-Family unterwegs, will tun, was er tut, Leute mit seiner Kunst davon überzeugen, ihn zu bezahlen.
Tat er das ganz am Anfang noch anonym, hängt auf dem Wägelchen, mit dem er sein Equipment transportiert, mittlerweile ein handgemaltes Schild, das den Mann mit Strohhut, Karohemd und Gänsehautstimme selbstbewusst als den ankündigt, der er ist: „Jimmy Kelly, Kelly-Family“.
„Jimmy Kelly, Streetkid - Fluch und Segen, ein Kelly zu sein“, Heyne-Verlag, 254 Seiten, 19,99 Euro,