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Jimi Hendrix Jimi Hendrix: Tod eines Gottes

Von MICHAEL OSSENKOPP 17.09.2010, 16:44
Kaum jemand hinterließ innerhalb von nur drei Jahren so tiefe Spuren in der populären Musik wie James Marshall «Jimi» Hendrix. (FOTO: DPA)
Kaum jemand hinterließ innerhalb von nur drei Jahren so tiefe Spuren in der populären Musik wie James Marshall «Jimi» Hendrix. (FOTO: DPA) dpa

Halle/MZ. - Der als Gitarrengott verehrte Musiker lenkte Stilrichtungen wie Blues, Soul, Rock, Folk, Jazz und Elektronik in ungeahnte Sphären. Er malträtierte sein Instrument mit Fingern, Ellbogen und Unterleib, zupfte es mit Zunge und Zähnen oder spielte hinter dem Rücken.

The Jimi Hendrix Experience mit zunächst Noel Redding am Bass und Mitch Mitchell am Schlagzeug tauchten erstmals Ende 1966 in der Musikszene auf. Das Debutalbum "Are You Experienced" und der Nachfolger "Axis: Bold as Love" stürmten 1967 in die Top-5 der Albumcharts von Großbritannien und Amerika. 1968 belegte das Doppelalbum "Electric Ladyland" Platz 1 in den USA. Hits wie "Hey Joe", "Purple Haze" oder "Foxy Lady" und die mit links zerfetzte Instrumentalversion der US-amerikanischen Nationalhymne machten den Musiker aus Seattle zum scheinbar unsterblichen Helden.

Seinen letzten Live-Gig gab Hendrix am 6. September 1970 auf der Ostseeinsel Fehmarn. Der Sohn eines schwarzen Landschaftsgärtners und einer Cherokesin war bis dahin zur weltweiten Ikone der Rockmusik geworden. Doch der rasante Aufstieg in den Rockhimmel und das Starleben forderten Tribut. Sex, Drugs & Rock'n'Roll bis zum Exzess, Musiksessions bis zum Sonnenaufgang, Liebe mit fünf Groupies gleichzeitig und der Genuss von Haschisch, Marihuana, LSD und Kokain beeinflussten zunehmend seine Konstitution und die Konzerte. Immer häufiger litt er an Depressionen.

Gemanagt wurde Hendrix vom ehemaligen Animals-Bassisten Chas Chandler, der auch als Produzent für die künstlerischen Belange verantwortlich war. Um die finanziellen Angelegenheiten kümmerte sich Michael Jeffery. Nach dem Auftritt auf Fehmarn wollte die Band weiter auf Europatour gehen, doch Hendrix flog nach London. Am 15. September wollte er sich hier mit Anwälten treffen, aber der Musiker erschien nicht.

Am übernächsten Tag tauchte er zu einer Jamsession mit Eric Burdon auf. Danach verbrachte er die Nacht mit seiner Freundin Monika Dannemann im Londoner Samarkand Hotel. Die als Groupie bekannte ehemalige deutsche Eiskunstläuferin hatte den Gitarristen 1969 bei einem Konzert in Düsseldorf kennen gelernt. Nach ihrer Aussage hätten die beiden zu Abend gegessen, eine Flasche Wein getrunken und lange miteinander geredet. Jimi habe von Heirat gesprochen und sei glücklich gewesen. Später habe sie eine Schlaftablette genommen und sei allein ins Bett gegangen. Am nächsten Morgen wachte sie erst gegen halb elf auf und habe an Jimis Mund und Nase Erbrochenes entdeckt. Vergeblich versuchte sie, ihn aufzuwecken. Der Notarzt traf um 11.20 Uhr ein, auf der zwanzigminütigen Fahrt ins Hospital sei Hendrix erstickt, so Dannemann.

Ihre Version wird angezweifelt. Laut Angaben des Klinikarztes Dr. John Bannister war der Tod schon Stunden vorher eingetreten. Der Mediziner konnte in Hendrix' Körper neun Tabletten eines Schlafmittels nachweisen, in den Lungen fand er große Mengen Rotwein. Der Blutalkoholgehalt lag nur bei etwa ein Promille. Dr. Bannister entdeckte um Hendrix' Hals ein mit Rotwein getränktes Stück Stoff. Damals unbeachtet, könnte das auf einen Kampf schließen lassen. Der Gerichtsmediziner Gavin Thurston stellte als Todesursache "Ersticken durch das Einatmen von Erbrochenem unter Mitwirkung einer Barbiturat-Vergiftung" fest. Die nahe liegende Erklärung zu jener Zeit war einfach, eben wieder ein Rockstar, der an einer Überdosis stirbt.

Der britische Journalist Alex Constantine behauptet in seinem 2002 erschienenen Buch "Tötet den Rock'n'Roll", Manager Jeffery habe Hendrix unter Gewalteinwirkung Rotwein einflössen - und ihn so beseitigen lassen. Die in Geheimdienstkreisen als "Waterboarding" angewandte Praxis soll Jeffery aus seiner Agenten-Vergangenheit beim britischen Geheimdienst MI5 gekannt haben, außerdem wurden ihm Kontakte zur CIA und zur Mafia nachgesagt. Jeffery habe Hendrix systematisch von seinen früheren Weggefährten isoliert, ihn mit LSD versorgt und sogar Heroin untergeschoben, für dessen Besitz der Rockstar 1969 in Toronto verhaftet worden war.

Der eher unpolitische Hendrix sei außerdem wegen Spenden an die Bürgerrechtsbewegung "Black Panther" und durch seine Unterstützung für das "Moratorium für das Ende des Vietnamkriegs" ins Visier der US-Behörden geraten. Der Großteil seiner Gagen soll über eine Scheinfirma auf Konten der "Chemical Bank" auf den Bahamas gelandet sein - ein Geldinstitut mit Verbindungen zu Mafia und CIA, Zugriff hatte nur Jeffery.

Die FBI-Akten des Musikers wurden bis zum heutigen Tag nicht vollständig freigegeben. Offenbar wollte sich Hendrix 1970 um jeden Preis von seinem Manager trennen, deshalb auch das geplante Treffen mit Anwälten am 15. September in London. Ob im Auftrag von US-Geheimdiensten oder aus Furcht vor einem Rauswurf, für Constantine ist Jeffery für den Tod des Gitarristen verantwortlich.

Auch der ehemalige Hendrix-Roadie James Wright beschuldigt in seiner 2009 veröffentlichten Autobiografie "Rock Roadie" Jeffery des Mordes. Der Manager habe Wright von der Todesnacht berichtet: "Ich ging mit einigen Freunden in Monikas Hotelzimmer, wir nahmen eine Handvoll Pillen und stopften sie in Jimis Mund, danach kippten wir ein paar Flaschen Rotwein in seine Luftröhre." Wright sieht ein profanes Tatmotiv: Jeffery habe eine Lebensversicherung für Hendrix abgeschlossen und sich selbst als Begünstigten eingetragen, um an die Versicherungssumme von 1,2 Millionen Pfund zu kommen. Freunde von Jimi vermuteten zusätzlich perfide PR-Gründe: Aus einem toten Hendrix hätte Jeffery noch mehr Geld rausschlagen können. Was auch geschah.

20 Alben mit alten, teilweise uninspirierten Aufnahmen wurden posthum veröffentlicht, jede Hendrix-Note in Dollars umgemünzt. Selbst nach 40 Jahren kam 2010 mit "Valleys Of Neptune" eine Hendrix-Platte auf den Markt. Erst 1995 erhielten Jimis Vater und seine Schwester die Kontrolle über das Erbe zurück, damals wurde der Wert des Vermächtnisses auf 40 bis 100 Millionen Dollar geschätzt.

Die meisten Zeitzeugen sind inzwischen tot. Jeffery kam 1973 bei einer Flugzeugkollision ums Leben. Gerichtsmediziner Thurston verstarb 1980, Dannemann wurde 1996 in ihrem mit Abgasen gefüllten Wagen tot aufgefunden; offizielle Todesursache Selbstmord, angeblich gab es Morddrohungen. Im gleichen Jahr starb Manager Chandler nach einem Herzanfall. 2003 erlitt Experience-Kollege Redding in seinem Haus im irischen Ardfield einen Riss der Bauchaorta, Musiker-Kollege Mitchell wurde 2008 in Portland tot in einem Hotelzimmer aufgefunden, als er - Ironie des Schicksals - gerade mit der Tribute-Show "Experience Hendrix Tour" unterwegs war.