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Jens Thomas Jens Thomas: Die Risse zwischen Schwarz und Weiß

Von Ulrich Steinmetzger 24.07.2003, 17:29

Halle/MZ. - Vielleicht sitzt deswegen ein Pianist im Zentrum der Othello-Inszenierung, mit der in diesem Frühjahr die Münchner Kammerspiele nach dreijähriger Bauzeit wieder eröffnet wurden. Der Türke Feridun Zaimoglu ("Kanak Attack") hat den klassischen Stoff neu übertragen, weil er wissen muss, wie fremd die Fremde bleibt trotz aller andersartigen Verlautbarungen. Wenn das allgemeine Klima dumpfer wird, sind die Außenseiter willkommene Blitzableiter.

Dies zu illustrieren ist die Rolle, die Regisseur Luc Perceval seinem Pianisten zugewiesen hat. Der 32-jährige Jens Thomas aus Hannover ist die Idealbesetzung für solches Spiel mit den Gefühlen. Seit ein paar Jahren ist er durch imponierende Anverwandlungen fremder Identitäten zum unverhofften Star des europäischen Jazzklaviers geworden, zum in allen Kostümierungen wiedererkennbaren Wanderer zwischen den Lagern.

So hatte er sich unterm Cowboyhut ins Morricone-Land aufgemacht und klassische Filmthemen neu montiert ("You can't keep a good cowboy down", Act 9273-2). So hatte er sich vom Goethe-Institut nach Afrika schicken lassen und als Weißer unter Schwarzen sein Ich improvisierend fremd verortet ("Triocolor: Colours of Ghana", Act 9285-2). Und so hatte er schließlich auch Stings gassenhauerndes Gutmenschentum enttrivialisiert, indem er es als Startrampe für seine Klaviereinkreisungen einem Streichquartett unterschob (Shadows in the Rain. Act 9297-2).

Jens Thomas ist der angstlos auftrumpfende Klaviertrimmer, der virtuos die Spieltechniken der Avantgarden zu den Basislagern der Allgemeinplätze trägt. Vom Free Jazz hat er die Attacken auf den Korpus des Instruments mitgebracht. Thomas trommelt auf dem Holz, reißt an den Saiten, setzt seine Stimme ein und seine hämmernde Dynamik. Aus dem anstudierten Orkus von Rihm und Ligeti geht er freudvoll hinunter in die harschen Harmonien des Rock.

Mit wachsender Souveränität emanzipiert sich hier ein Zauberlehrling von seinen Meistern. Spätestens seit dem Sting-Projekt von 2001 ist zum exzellenten Saxophonisten Christof Lauer eine nachhaltige Partnerschaft entstanden. Jüngst haben beide eine Duo-CD eingespielt, die entfernt an das frühe Zusammenspiel von Keith Jarrett und Jan Garbarek erinnert. 13 Eigenkompositionen reihen sie wie Perlen auf die Schnur, um sie in melancholischer Eindringlichkeit leuchten zu lassen.

Die titelgebende "Pure Freude" ist einer Ausstellung des Malers Imi Knoebel entlehnt und hat viel zu tun mit der suggestiven Kraft simpler Songs. Ausufernde solistische Selbstdarstellungen, mit denen Jazzmusiker so gern in den Ring steigen, sucht man vergebens. Insofern ist auch diese Musik wieder anders: leicht, licht und sehr melodiös. Banal ist sie deswegen nicht, aber zuweilen vielleicht ein bisschen zu schön.

Jens Thomas / Christof Lauer. Pure Joy, Act 9415-2.