Jazz-Rockparty mit Chicago in Hamburg
Hamburg/dpa. - Diese obercoolen jazzigen Bläsersätze - sie versöhnen beim Live-Auftritt von Chicago sogar mit eigentlich abgenudelten Schnulzen. Die US-Band vollbrachte am Dienstagabend in Hamburg das Kunststück, Anhänger von Rock, Jazzrock und Kuschelrock gleichermaßen zufriedenzustellen.
In ihrer schon mehr als 40 Jahre währenden Karriere war ihr das nicht immer gelungen. In den 70er Jahren hatten viele Fans verstört auf den Wandel der innovativen Jazzrocktruppe zur Popband reagiert. Aber beim Auftritt im Hamburger Stadtpark herrschte Eintracht: 2000 Zuschauer feierten mit ihrer Band eine tolle Sommerparty. Am Anfang brauchte das überwiegend ältere Publikum eine kleine Aufwärmphase, aber bald ließ es sich von der Euphorie der Musiker anstecken.
Die Band startete unter anderem mit dem Song «Stone Of Sisyphus» vom gleichnamigen aktuellen Album. Diese ambitionierte Platte hatte Chicago schon 1993 aufgenommen. Aber ihre damalige Plattenfirma Warner hatte die Scheibe in der Versenkung verschwinden lassen, weil sie sie nicht kommerziell genug fand. Nun endlich ist sie vor ein paar Wochen veröffentlicht worden. Stücke daraus wurden mit freundlichem Beifall bedacht.
Die Fans, von denen viele Chicago schon aus den frühen Jahren kennen, wollten aber vor allem die alten Hits wieder einmal live hören. Und die Band tat ihnen den Gefallen: Mit einer jazzig arrangierten Extended Version von «Make Me Smile» zeigten die Musiker, warum es Chicago heute noch gibt: Aus Spaß am gemeinsamen Spiel und dank ihres schier unerschöpflichen Vorrats an tollen Melodien. Immerhin sind aus der frühen Phase noch vier Musiker dabei - Frontmann und Keyboarder Robert Lamm, Trompeter Lee Loughnane, Posaunist James Pankow und Saxofonist Walter Parazaider.
Ein bisschen wie eine Pflichtaufgabe brachte die Band ziemlich am Anfang ihren unvermeidlichen Super-Hit «If You Leave Me Now» von 1976 - unter großem Beifall. Einige Paare versuchten dazu die alten Tanzschritte - so wie damals in der Disco. Und natürlich, der enorme kommerzielle Erfolg der Gruppe - mehr als 100 Millionen verkaufte Tonträger - ist nicht zuletzt Schmusesongs wie «Hard To Say I'm Sorry» zu verdanken.
Während des fast zweistündigen Konzerts wechselte die Gruppe regelmäßig zwischen Rocksongs und Popperlen. Doch am meisten Stimmung kam immer dann auf, wenn sich die Multi-Instrumentalisten als Könner des gepflegten Mainstream-Jazzrocks zeigten. Bei ihrer leidenschaftlichen Coverversion von «In The Mood» swingte das Publikum mit. Und der Höhepunkt kam fast am Schluss mit dem unverwüstlichen «25 Or 6 To 4» aus den Sturm-und-Drang-Jahren der Band. Diese und andere Stücke wie «Saturday In The Park» oder «I'm A Man» sind heute im besten Sinne Evergreens.
Immer wieder nahmen die Musiker vorn an der Bühne ein Bad in der Menge. Und am Ende schüttelten Sänger und Bassist Jason Scheff, Keyboarder Lamm und die anderen viele Hände. Zuletzt war Chicago Mitte der 80er Jahre in Hamburg gewesen. «Das nächste Mal warten wir nicht 20 Jahre», versprach die Band unter dem Jubel der Menge. Am Mittwochabend sollte die Gruppe auf ihrer Kurz-Tour durch Deutschland noch in Berlin auftreten.