Jan Garbarek und das Hilliard-Ensemble Jan Garbarek und das Hilliard-Ensemble: Vier Stimmen vor dem Ruhestand

Halle (Saale) - An diesem Abend wird kein Wort gesprochen. Allein Musik und Gesang haben das Sagen und der begeisterte Jubel des Publikums am Ende, der zwei Zugaben zur Folge hat. Jan Garbarek eröffnete das Konzert mit einem seiner inzwischen berühmt gewordenen Saxophon-Improvisationen, in die das Hilliard-Ensemble sukzessive einstimmte. Die vier Akteure sind anfangs in Halles Marktkirche verteilt und treten gemessenen Schrittes in den Altarbereich, wo Garbarek fortan im Gehen spielt.
Genau 80 Minuten tragen sie ohne Pause und nahezu übergangslos ihr Repertoire vor. Allen voran die Stücke des Albums „Officium“. Das erschien, wie auch die Alben „Mnemosyne“ und „Officium Novum“, beim Münchner Label ECM.
Entdeckung durch Plattenlabel
Neben den relativ jungen Plattenfirmen Denovali Records und Erased Tapes Records ist ECM eines der wenigen Tonträger-Unternehmen, dessen Veröffentlichungen man ungehört erwerben kann. Der ECM-Gründer Manfred Eicher war es auch, der seinerzeit das Potenzial der Akteure erkannte, als sich der norwegische Saxophonist und das englische Vokal-Ensemble erstmals trafen. Das war, wie sich Hilliard-Mitglied David James in einem Beitrag für die Zeitung „The Guardian“ erinnerte, im Benediktinerkloster Sankt Gerold in Österreich.
Ein „Blind Date“, an dessen Anfang die vier Sänger die Motette eines spanischen Komponisten anstimmten und Jan Garbarek zu improvisieren begann, in dem er mit seinem Saxophon gleichsam die fünfte Stimme spielte. Nachdem das Stück verklungen war, sei Eicher aufgesprungen und habe ausgerufen: „Das müssen wir aufnehmen!“. Wie recht der Musikproduzent doch hatte: Das Album „Officium“, 1994 erstmals erschienen, verkaufte sich über eine Million Mal. Das ist für ein Werk der modernen Klassik sensationell.
Jan Garbarek und das Hilliard-Ensemble haben eine 21-jährige musikalische Erfolgsgeschichte geschrieben, unter die jetzt ein Schlusspunkt gesetzt wird. Wie es sich gehört mit einem neuen Album („Transeamus“) und einer Tournee, die die fünf Akteure noch einmal durch halb Europa führt.
Eine Station auf der Abschiedstour war am Montag die Händel-Stadt, in der sich Jan Garbarek und das Hilliard-Ensemble über eine bis auf den letzten Platz gefüllte Marktkirche freuen konnten.
Das Besondere dieser Klänge
Ein Bild, das die Theologen wohl auch zu den Sonntagsgottesdiensten gern sehen würden. Aber andererseits ist ein Konzert von Jan Garbarek sowie den Herren David James (Countertenor), Rogers Covey-Crump (Tenor), Steven Harrold (Tenor) und Gordon Jones (Bariton) immer eine musikalisch heilige Handlung. Das Besondere, das ihren Klängen eigen ist: Je länger man ihnen lauscht, umso leichter wird es dem Hörer ums Herz.
Auch wenn das Hilliard-Ensemble nach Tour-Ende in den Ruhestand gehen will, so haben die Sänger, wie sie bei ihrem fulminanten Konzert in Halle demonstrierten, trotz des fortgeschrittenen Alters nichts von ihrer vokalistischen Frische und Strahlkraft verloren. (mz)