Italien Italien: Venedig gedenkt der Opern-Apokalypse

Rom/dpa. - Eine hellgraue Gondel wiegt sich im Canal Grande,darin sitzt Maria Malibran auf gold-scharlachroten Sitzen. Wie jedenAbend lässt sich die gefeierte Sängerin von einem Gondoliere imbunten Kostüm zur Arbeit ins Opernhaus «La Fenice» rudern. Das war imJahr 1834. Viele Geschichten wie diese ranken sich seither um dasberühmte Opernhaus von Venedig, Geschichten von Weltpremieren undKomponisten, von den besonderen Angewohnheiten umjubelter Tenöre undSopranistinnen - und von Bränden. Schließlich heißt «Fenice» aufDeutsch Phönix, und wie der legendäre Feuervogel ist auch dievenezianische Oper gleich drei Mal aus der Asche auferstanden.
Der letzte Großbrand ist Opernfans in aller Welt noch ingrauenhafter Erinnerung: Vor genau zehn Jahren, am 29. Januar 1996,brannte die Fenice bis auf die Grundmauern ab: Es ist Abend, alsplötzlich hohe Flammen aus der gerade in der Renovierung befindlichenFenice aufsteigen. Innerhalb weniger Stunden liegt das 1792 eröffneteOpernhaus in Schutt und Asche. Entsetzen macht sich breit: «Venedighat seine Seele verloren», klagte der berühmte Tenor LucianoPavarotti und kündigt prompt ein Benefizkonzert für den Wiederaufbauan. «Ein Symbol für den Zusammenbruch Italiens», kommentierte derRegisseur Giorgio Strehler.
Augenzeugen sprachen damals von einem «Trümmerfeld», ja gar von«Apokalypse». Als dann noch Ermittlungen ergaben, dass das Feuerabsichtlich gelegt wurde, machte sich Fassungslosigkeit breit. ZweiElektriker waren mit Renovierungsarbeiten in Verzug geraten undwollten mit dem Brand eine Konventionalstrafe von 25 000 Euroabwenden. Sie wurden später zu Haftstrafen von sechs bzw. siebenJahren wegen Brandstiftung verurteilt. Jedoch gab es auch immerwieder Kritik am Bürgermeister und anderen Verantwortlichen: So seidie automatische Feuerlöschanlage defekt gewesen, zudem hättenArbeiter bei der Renovierung leichtsinnig mit brennbarer Flüssigkeithantiert. Trotz Warnungen habe die Stadt der Schlamperei kein Endegesetzt, lautete der Vorwurf.
Denn bei der Fenice handelt es sich schließlich nicht um irgendeinGebäude, sondern um eines der bekanntesten Opernhäuser Italiens: Hierwurden Verdis «La Traviata» und «Rigoletto» uraufgeführt, RenataTebaldi und Maria Callas standen ebenso auf der Belcanto-Bühne wieStartenor Enrico Caruso und die spanische Sopranistin MontserratCaballé. Auch Rossini, Bellini und Donizetti liebten denspätklassizistischen Bau, der in seiner bewegten Geschichte bereitszwei Mal abgebrannt war: Gleich nach seinem Bau 1792 und 1836. Damalswurde das Theater in kürzester Zeit wiederaufgebaut - und erhieltdaher seinen Namen «La Fenice»: «Eine großartige, elegante Oper, diein jeder Hinsicht perfekt ist», schwärmten Besucher damals.
Nach dem Brand vor zehn Jahren dauerte es hingegen etwas länger,bis Phönix wieder aus der Asche emporstieg. Der Wiederaufbaudümpelte jahrelang vor sich hin, «nicht gerade ein Beweis für dieEffizienz des italienischen Systems», meinten Spötter. Unterdessenwichen Orchester und Sänger ab dem Jahr 2001 in das «Teatro Malibran»aus - einen ebenfalls prächtigen Bau, der seinerzeit der 1836 mit nur28 Jahren gestorbenen Maria Malibran gewidmet worden war.
Am 14. Dezember 2003 - fast genau acht Jahre nach der Feuersbrunst- war es endlich soweit: Mit einem Festkonzert unter Leitung vonStardirigent Riccardo Muti öffnete die modernisierte, aber dennoch inihrer alten Pracht in Gold, Rosa und Cremeweiß erstrahlende Feniceendlich wieder ihre Pforten. Erleichterung machte sich breit:Schließlich hat der Zuschauerraum seine einzigartige weit gebogeneHufeisenform behalten und auch die 174 Logen wurden originalgetreuwieder aufgebaut. Beethoven, Strawinsky, Caldara und Wagner spieltedas Orchester, alles Komponisten, die eine besondere Beziehung zuVenedig hatten. «Der Albtraum ist vorbei - dies ist das Ende einerOdyssee», freuten sich Musikliebhaber.
