Interview Interview: Vielleicht bin ich ein Chamäleon
BERLIN/DPA. - Bushido, Sie hatten heute schon einen Termin in einer Schule. Was haben Sie da gemacht?
Bushido: Ich war zwei Stunden lang an der Peter-Ustinov-Oberschule in Charlottenburg, in einer 10. Klasse. Wir haben über Berlin, Wirtschaft, Jugendkriminalität und so weiter geredet, es war super. Negativ überrascht hat mich nur die Technik: Die Lehrerin lud sich vorn ein Referat per USB-Stick auf den Computer und suchte dann im Internet Material raus. Ich dachte, ich bin im Internetcafé gelandet! Da habe ich erstmal einen Vortrag gehalten, dass das zu meiner Zeit ganz anders war.
Sie bringen also ernsthaft Sprüche wie: „Früher war alles besser“?
Bushido: Ja ja, ich kam mir vor wie meine Mutter, ohne Scheiß! Dort gab’s nicht mal Kreide, sondern eine Plastiktafel mit Boardmarkern. Bei einem Referat kommt’s drauf an, dass man frei redet und sein eigenes Potenzial einbringt, nicht auf eine perfekte Powerpoint-Präsentation. Man soll doch mit Menschen kommunizieren lernen. Aber das blieb dort krass auf der Strecke.
Hatten Sie Lehrer, die Sie geprägt haben?
Bushido: Einen einzigen, meinen Chemielehrer Herrn Helmert. Ich habe ‘96 mein Abi abgebrochen und bin vom elitär angehauchten Eckner-Gymnasium, wo ganz wenig Ausländer waren, auf eine andere Schule gegangen. Der Chemielehrer dort war so cool, dass ich da 14 von 15 Punkten bekam. Ich habe aber immer gute Noten gehabt. Deutsch hat mich interessiert, Chemie war super, Mathe war gut, Sport sowieso.
Von Ihnen erwartet man eher „Null Bock auf Schule“-Sprüche.
Bushido: In dieser Klasse gab es diese typischen Bushidos, die hinten sitzen, voll cool sind und für die das Pausenklingeln das Beste an der Schule ist. So war ich auch drauf, heute finde ich das gar nicht mehr witzig.
Worauf sind Schüler neugierig, wenn Sie sie treffen?
Bushido: Ich konnte denen etwas über gute und schlechte Entscheidungen erzählen, zu denen ich aber stehe, weil es eben meine Entscheidungen waren und ich die Konsequenzen voll trage. Ich habe auch einen Wahlbeauftragten gefunden, der mich vertreten wird, wenn ich mich zur Bürgermeisterwahl aufstellen lasse.
Bitte? Sie wollen Berlins Bürgermeister werden?
Bushido: Man kokettiert ja mit vielem. Als ich den Seehofer beim CSU-Ball traf, stand danach in der Zeitung: „Bushido schreibt die CSU-Hymne“. Das ist nur Meinungsmache. Wenn ich Bürgermeister oder Bundeskanzler sage, lacht man darüber, auch ich. Aber ich kann mir das gut vorstellen.
Für welche Partei würden Sie sich dann aufstellen lassen?
Bushido: Wenn, würde ich meine eigene Partei gründen und mich vor keinen Karren spannen lassen. Es haben sich bei mir schon oft Parteien gemeldet, ob SPD, CDU oder FDP.
Früher waren Sie ein rotes Tuch für Eltern, deren Kinder Ihre Raps hörten. Heute treten Sie als Vorbild auf. Hat man falsche Erwartungen an Sie?
Bushido: Ich konnte mich immer artikulieren – auch als meine Alben auf dem Index landeten. Das war eine wilde Zeit mit Drogen und miesen Schlägereien. Fakt ist, dass ich mich in Sachen Rap beweisen und gegen andere Rapper und deren Labels kämpfen musste. Ich musste mich erstmal finden – das ist wie Pubertät. Natürlich hat mich auch die Erkrankung meiner Mutter verändert. Komisch, mich hat heute auch ein Schüler gefragt, wann der Punkt kam, an dem ich so korrekt geworden bin.
Und, wann war das?
Bushido: Ich war schon immer korrekt! Ich habe nur nie einen Hehl aus den Sachen gemacht, die ich getan habe. Ich habe mal einem Mädchen in der Disco eine Backpfeife gegeben, weil sie mich „Hurensohn“ nannte. Heute würde ich sie nicht hauen, auch nicht den Typen, der mir in Österreich meine Reifen zerstochen hat – für die Schläge kam ich drei Wochen in U-Haft. Heute würde ich 110 anrufen, dann den ADAC und den Schaden für meine Versicherung aufnehmen lassen.
Ist der Bürgerschreck nur ein Missverständnis? Ist Bushido nur ein Schaf im Wolfspelz?
Bushido: Vielleicht bin ja ich ein Chamäleon.
Oder ist Bushido nur eine Kunstfigur für Sie?
Bushido: So schizophren bin ich nicht!
War es also die Krankheit Ihrer Mutter, die Sie das Leben neu überdenken ließ?
Bushido: Das war der absolute Wendepunkt. 2007 bekam mein Album „7“ Platin. Das sind 200 000 verkaufte Platten und ein Umsatz von fast zwei Millionen. Alles war geil, das Leben stand mir offen. Ich war für viele so ein Arschloch, sodass ich mich gar nicht benehmen musste. Ich zog mit Kumpels rum, soff, feierte, jeden Tag hatte ich zwei oder vier Frauen. Meine Mutter hatte ich sechs Monate am Stück nicht mehr gesehen, dann kam dieser grandiose Anruf, dass sie Krebs hat und ihr am Montag die Brust amputiert wird. Ich habe die Welt nicht verstanden. Ich will grad zu einer krassen Party in München und meine Mutter hat jetzt Krebs?!
Wie hat der coole Rapper auf diesen Riss in seiner Welt reagiert?
Bushido: Ich habe gemerkt, dass ich auch mit 29 Jahren noch ein Kind bin, das Kind meiner Mutter. Ich habe noch meine Tour spielen müssen, weil die Karten schon verkauft waren. Aber dann war ich fertig, habe meinen Führerschein verloren, bekam Migräneanfälle – das war krass scheiße. Über anderthalb Jahre habe ich mich dann nur noch um meine Mutter gekümmert. Dieser Rapper-Beef war so lange mein Lebensinhalt, dass ich meine Mutter darüber vergessen habe. Das war assi. So assi, wie ihr damals Geld für Drogen zu klauen.
Sind Sie religiös?
Bushido: Ich glaube an Gott, und zwar in jeder Sekunde meines Lebens. Ich habe immer diese spirituelle Anwesenheit gespürt und habe mein Leben und meine Entscheidungen in Gottes Hände gelegt.
Jetzt haben Sie auch eine Freundin. Sind Sie häuslich geworden?
Bushido: Ich habe meine Mutter bei mir wohnen, habe zwei Hunde im Garten, noch häuslicher geht es nicht! Viele Menschen würden mir dieses Muttersöhnchen-Ding vorwerfen. Wenn ich das Hartsein aufgeben müsste, weil ich Respekt vor meiner Mutter habe, dann mache ich das gern.
Leisten Sie sich materielle Extravaganzen?
Bushido: Alle drei Wochen fliege ich weit weg, in die Sonne. Alles unter neun Flugstunden ist kein Bushido-Reiseziel.
Schauen Sie „Deutschland sucht den Superstar“?
Bushido: Die machen das sehr ordentlich. DSDS spielt so gut wie keine andere Castingshow mit Träumen. Was DSDS und Bohlen gut hinkriegen, ist, die Leute bloßzustellen.
Würden Sie zum Casting gehen, wenn Sie jünger wären?
Bushido: Nein. Ich habe nie ein Demo irgendwohin geschickt. Ich habe damals das erste Tape selbst produziert und in einem Laden in Berlin selbst verkauft. Darüber habe ich praktisch den Plattenvertrag bekommen. Aber ich kann verstehen, warum die Menschen zu DSDS hingehen: Ihnen wird von Beyoncé und Brad Pitt, von Kohle und Partys erzählt, das wollen sie auch haben.
Hat Film Sie je so begeistert wie Musik?
Bushido: Film ist eigentlich meine große Leidenschaft. Ich habe 700 DVDs, alle ganz normal bezahlt. Ich klaue sehr ungern, früher habe ich das aus Notwendigkeit getan, aber heute nicht mehr. Da ich viel Geld verdiene, gebe ich auch gern Geld aus.
Wie soll Ihr Leben mit vierzig aussehen?
Bushido: ch habe mich gefunden, meine Pubertät hinter mich gebracht, mehr kann das nicht mehr werden, es sei denn, ich spiele den nächsten Batman. Der nächste große Schritt wäre also eine Familie. Aber das mache ich nicht leichtfertig. Ich will nichtauf einer Aftershow-Party eine Frau schwängern, mit der ich nicht zusammen leben will.
Haben Sie noch offene Träume?
Bushido: Ich habe mir jeden Traum erfüllt, finanziell jedenfalls. Andere, von denen ich nicht geträumt habe, sind einfach so zu mir gekommen. Ich habe nie von einem eigenen Film geträumt, schon gar nicht mit so einem Cast, so einer Regie und Produktion!
Haben Sie durch den Film selbst eine neue Perspektive auf Ihr Leben bekommen?
Bushido: Das Ganze war schon ein wenig wie Selbsttherapie. Aber obwohl ich ein abgefreakter Vogel bin, lebe ich doch sehr in der Realität. Als ich den Film zum ersten Mal sah, habe ich gedacht: „Krass, Alter! Plötzlich hast du eine Vergangenheit in bewegten Bildern!“ Alles, was in meinem Kopf ist und woran ich mich erinnere, ist plötzlich da, mit Text und Gesichtern, Ton und Musik. Das war natürlich überwältigend.