Interview mit Klaus Bednarz im Juni 2012 Interview mit Klaus Bednarz im Juni 2012: "Ich vermisse die Staatsferne"

Köln - Herr Bednarz, Sie feiern an diesem Mittwoch Ihren 70. Geburtstag. Wie groß ist die Sehnsucht nach dem alten Leben als Fernsehjournalist?
Klaus Bednarz: Ich vermisse das Rotlicht keine Sekunde und halte mich mit öffentlichen Auftritten sehr zurück. Ich gehe zum Beispiel nur dann in Talkshows, wenn ich zu dem Thema etwas Originäres zu sagen habe. Aber ich habe natürlich nicht aufgehört, ein politischer Journalist zu sein.
Wie beurteilen Sie als solcher die Politik-Berichterstattung der ARD?
Bednarz: Da hat sich in den vergangenen Jahren leider nicht viel zum Positiven entwickelt. Wir haben ein Überangebot an Talk- und Quizshows. Ich beobachte, dass die politischen Magazine, die schon immer Stiefkinder in der ARD waren, auch heute in Teilen der ARD-Hierarchie nicht die Aufmerksamkeit bekommen, die sie verdienen. Sie sind gekürzt worden von 45 auf 30 Minuten. Sie sind im Verlaufe der Jahrzehnte von der ARD als Manövriermasse behandelt worden. Das ist sehr bedauerlich. Gleichzeitig verschwinden immer mehr hochklassige, investigative Dokumentationen in der Hauptsendezeit. Es wird für freie Produzenten und Mitarbeiter immer schwieriger, sich an komplexe Themen zu wagen, die einen großen Rechercheaufwand bedeuten. Dieser wird von den Sendern in vielen Fällen nicht mehr finanziert. Das widerspricht dem Grundgedanken einer öffentlich-rechtlichen Anstalt.
Wo sehen Sie noch Handlungsbedarf?
Bednarz: Wenn ich mir die dritten Programme anschaue – nicht alle, aber manche – frage ich mich, ob es da so viele Quizshows und „Das Beste im …“, „Das Beste am …“ und „Das Beste aus …“ geben muss. Information, Bildung, Unterhaltung – in dieser Reihenfolge sollte es sein. Wenn Sie etwa in den beiden großen öffentlich-rechtlichen Sendern Bildungsangebote sehen wollen, werden Sie lange suchen müssen.
Zu Ihrer Zeit bei „Monitor“ sorgten viele Beiträge für Aufregung. Schadet es heute der Karriere anzuecken?
Bednarz: Es gibt Kollegen, die sehr, sehr engagiert arbeiten. Aber es drängt sich der Eindruck auf, dass heute eine gewissen Stromlinienförmigkeit gefragt ist. Am Beispiel von Nikolaus Brender kann man sehen, wie es im Fernsehen Journalisten ergehen kann, die sehr knorrig sind. Dass er rausgekegelt wird, weil er einer politischen Partei nicht gefällt, sollte uns sehr zu denken geben.
Nimmt die Politik zu großen Einfluss auf die Sender?
Bednarz: Das ist von Rundfunkanstalt zu Rundfunkanstalt verschieden. Aber es gibt zu viele, in denen der Einfluss der Politik viel zu groß ist, als dass man sagen könnte, das trägt zur Hebung des journalistischen Standards bei. Es ist im Gesetz festgeschrieben, dass öffentlich-rechtlicher Rundfunk staatsfern zu sein hat, und diese Staatsferne vermisse ich in manchen Rundfunkanstalten. Es kommt auch immer, wenn Politik versucht, Einfluss zu nehmen, darauf an, wie stark das Rückgrat der Hierarchen ist, die mit diesem Druck konfrontiert sind. Das ist eine entscheidende Frage.
Beim Ihrem Hausender gab es zuletzt viel Aufregung wegen WDR 3.
Bednarz: Der Drang zur Durchhörbarkeit führt dazu, dass eine gewisse Konformität um sich greift. Ich kenne es noch aus meiner Zeit bei „Monitor“, wo oft die Aufforderung kam: „Ihr müsst unterhaltsamer werden!“ Aber ein Kulturprogramm muss nicht unterhaltsam sein. Ich kann gut verstehen, dass sich eine Welle der Empörung gegen die Pläne für WDR 3 aufgebaut hat.
Und wie steht der WDR im Allgemeinen da?
Bednarz: Ich höre aus dem Sender, dass die Kommunikation und die Stimmung eher schlecht sind. Aber nach meiner Einschätzung ist der WDR unter allen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten immer noch die beste aller Inseln. Das liegt auch daran, dass der WDR eine lange, liberale Tradition hat, die immer noch nachwirkt. Wenn ich heute noch einmal vor die Wahl gestellt würde, zu welchem Sender ich gehen würde, würde ich wieder den WDR wählen – bei aller Kritik.
Klaus Bednarz wurde am 6. Juni 1942 in Falkensee bei Berlin geboren. Er studierte Theaterwissenschaft, Slawistik und Osteuropäische Geschichte und promovierte 1966 über den Dichter Anton Tschechow.
In Warschau war er der erste ARD-Fernsehkorrespondent und gründete das dortige ARD-Studio. Außerdem war er Leiter des ARD-Studios Moskau. Von 1983 bis 2001 moderierte er das ARD-Magazin „Monitor“, dessen Redaktion er auch leitete. Bis zu seiner Pensionierung im Juni 2007 arbeitete Bednarz als WDR-Chefreporter und ARD-Sonderkorrespondent. Er lebt in einem Dorf bei Schwerin.
