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In aller Freundschaft-Star In aller Freundschaft-Star Thomas Rühlmann: Heilmann hat einen typisch sachsen-anhaltischen Humor"

Von Kornelia Noack 11.07.2019, 09:32
Schauspieler Thomas Rühmann stammt aus der Altmark.
Schauspieler Thomas Rühmann stammt aus der Altmark. Borm

Halle (Saale) - Jeden Dienstagabend rettet er in der ARD-Serie „In aller Freundschaft“ Menschenleben: Thomas Rühmann (64). Seit 20 Jahren schon schlüpft der gebürtige Altmarker in die Rolle des Arztes Dr. Heilmann. Dass er mehr als in einer Serie spielen kann, zeigt er regelmäßig in seinem „Theater am Rand“ im Oderbruch in Brandenburg. Dort auf dem Spielplan steht auch das Stück „Fast ein Nichts“.

Am 13. August präsentiert Rühmann es beim halleschen „Cultoursommer“ im Neuen Theater. Was das Publikum erwartet und wie er sich den Erfolg von „In aller Freundschaft“ erklärt, darüber sprach Thomas Rühmann mit MZ-Redakteurin Kornelia Noack.

Herr Rühmann, „In aller Freundschaft“ wird in Leipzig gedreht. Können Sie noch unerkannt durch die Stadt gehen?
Thomas Rühmann: Nö, aber das ist auch nicht schlimm. Ich habe mich daran gewöhnt. Die meisten Menschen sind wirklich diskret.

Und werden Sie dann als Dr. Heilmann angesprochen?
Ja, die meisten machen das aus Spaß oder weil ihnen mein Name nicht einfällt. Aber damit habe ich kein Problem.

Was haben Sie mit Dr. Heilmann gemeinsam?
Man gibt einer Figur immer etwas, was auch in einem selbst steckt. Bei mir ist es eine gewisse Grundruhe. Wobei Sie sich wahrscheinlich wundern würden, ich kann auch ziemlich cholerisch sein. Und dann hat Heilmann noch einen typisch sachsen-anhaltischen Humor ...

Den gibt es?
Aber ja, Sachsen-Anhalter sind da noch verschärfter als Brandenburger, noch knapper in ihrem Humor. Sie reflektieren die Dinge scheinbar leidenschaftslos, wodurch so eine trockene Direktheit entsteht. Die habe ich Heilmann auch gegeben. Anfangs war mir das gar nicht so bewusst, aber man macht mit der Figur eine Entwicklung durch. Im Moment ist er sehr fröhlich, weil er drei Jahre Witwer war und jetzt wieder jemanden hat. Auf einmal ist die Welt schön, und er kann albern sein, witzig und leidenschaftlich. Das zu spielen, macht Spaß.

Können Sie sich den Erfolg der Serie erklären?
Im Grunde wird von einem Krankenhaus erzählt, das es in Wirklichkeit nicht gibt. Aber es kommt alles vor: das Leben, der Tod, die weißen Kittel. Es werden realistische Geschichten erzählt, und die Figuren sind widersprüchlicher als zum Beispiel damals bei der „Schwarzwaldklinik“. Diese „Götter in Weiß“ gibt es so nicht mehr. Auch dass das Privatleben der Charaktere erzählt wird, kommt gut bei den Zuschauern an. Interessant ist aber, dass sie nicht die Zugespitztheit mögen, sondern sie wollen zufrieden ins Bett gehen. Und dann geht so eine Folge eben auch gut aus.

Das Ensemble wirkt immer sehr harmonisch. Sind unter den Schauspielern richtige Freundschaften entstanden?
Ich vergleiche das immer mit der Kantine in einem Theater, in dem Kollegen über viele Jahre zusammen arbeiten. Da entsteht Nähe und Vertrautheit. Richtig befreundet war ich mit Dieter Bellmann und Hendrikje Fitz. Jetzt ist Julia Jäger neu im Ensemble, was mich freut, da sie eine wunderbare Schauspielerin ist. Sie wird auch im September bei der großen Inszenierung „Kabakon oder Die Retter der Kokosnuss“ im „Theater am Rand“ im Oderbruch dabei sein. Es haben mittlerweile schon einige Kollegen dort mitgemacht.

Sie gastieren beim halleschen „Cultoursommer“ mit dem Abend „Fast ein Nichts“ zu der Novelle „Seide“ von Alessandro Baricco. Worauf kann sich das Publikum freuen?
Auf die luftigste, leichteste und zauberhafteste Erzählung, die ich je gelesen habe. Mit dem Wort „Seide“ assoziiert man fast ein Nichts, daher auch der Titel. Aber es steckt viel mehr dahinter. Es ist eine grandiose Liebesgeschichte, in der sich die Liebenden nicht mal berühren. Erzählt wird von einem Seidenraupenhändler, der im 19. Jahrhundert viermal nach Japan reist. Jede dieser Reisen beschreibt Barrico immer mit nahezu denselben Wörtern und doch hat jede eine andere Temperatur. Schauspielerisch ist das sehr reizvoll. Dazu spielt Tobias Morgenstern eine Musik, die gleichermaßen die Geschichte miterzählt. Ich kann versprechen: Es wird sehr leidenschaftlich.

Sie sind tatsächlich regelmäßig in Halle zu Gast.
Erst im März war ich mit dem Konzert „Sugar Man“ dort. Es war toll, das Neue Theater war rappelvoll. Es ist zu spüren, dass das ein ganz lebendiges Haus ist mit einem lebendigen Publikum. Überrascht haben mich vor allem die vielen jungen Leute im Theater. Diese dafür zu begeistern, ist nicht so einfach. Das Stück „Fast ein Nichts“ passt sehr gut in den schönen Hof des NT. Die Atmosphäre dort ist intensiv. Außerdem mag ich das Neue Theater, auch weil ich den Intendanten sehr schätze, meinen ehemaligen Kommilitonen Matthias Brenner.

Welche Rolle spielt Literatur in Ihrem Leben?
Eine große, der Spielplan im „Theater am Rand“ wird dadurch maßgeblich bestimmt. Ich suche und finde meist auch Belletristik, bei der ich nach zwei Seiten schon spüre, ob das zu uns aufs Land passt und zu der Art Theater, die wir machen. Dann entwickele ich daraus Theaterfassungen, die wir in unterschiedlichen Ausführungen auf die Bühne bringen.

Ihr Kollege Tobias Morgenstern wird außerdem mit dem „Tango-Projekt“ beim „Cultoursommer“ dabei sein. Was verbirgt sich dahinter?
Wenn Tobias Morgenstern etwas kann, dann ist das Tango. Je älter er wird, desto tiefergehender, aber auch komödiantischer geht er mit den klassischen Themen des Tangos um. Er ist einer der virtuosisten Akkordeonspieler in Deutschland. Ich kann ihn nur empfehlen. So einen Tango hat man in Halle noch nie gehört (lacht).

Tobias Morgenstern und Sie betreiben das „Theater am Rand“. Wie wird man Chef eines Theaters im Oderbruch?
Das war absoluter Zufall. Ich bin Tobias Morgenstern im Maxim Gorki Theater in Berlin begegnet. Wir fanden uns beide irgendwie interessant, haben begonnen miteinander zu arbeiten und irgendwann ein Stück bei ihm im Fachwerkhaus in Zollbrücke zu machen. Manchmal waren nur zwölf Leute da, aber wir wollten einfach unbedingt spielen. Das Theater in seinem Wohnzimmer ist dann wie ein Pflänzchen von Jahr zu Jahr gewachsen. Wissen Sie, das Oderbruch ist eine ganz archaische Landschaft und sehr ländlich. Ländlicher als Land überhaupt in Brandenburg, und durch die Flussnähe ist es auch ein mythischer Ort. Früher hätte man dort wahrscheinlich eine Kirche hingebaut, wir haben dann 2006 ein Theater gebaut. Da passen 200 Menschen rein und sie strömen aus ganz Deutschland zu uns.

Wie groß muss die Liebe zum Theater sein, um solch ein Projekt am Zipfel von Deutschland auf die Beine zu stellen?
Das ist nicht erklärbar. Wahrscheinlich ist es Leidenschaft und 21 Jahre höchste Selbstausbeutung (lacht). Mit dem, was wir erspielen, finanzieren wir das Theater. Im Laufe der Zeit mussten wir neue Strukturen erfinden, es ist ein langer Prozess, der noch nicht zu Ende ist. Und irgendwann werden wir für Nachfolge sorgen. Es wäre toll, wenn junge Menschen eines Tages sagen: Gebt uns das Theater, wir machen das! Wir würden es ihnen geben, da sind wir sicher.

Der Zuspruch ist sicher auch mit Ihrem Namen verbunden.
Das ist ein Vorteil, der zu vielen anderen dazukommt. Offenbar besteht bei den Menschen ein großes Bedürfnis nach authentischen Orten, außerhalb der Stadt. Im Oderbruch kann man sehr gut spazieren gehen, ein ganzes Wochenende am Fluss verbringen. Die Zeit ist ein bisschen stehengeblieben. Und dann gibt es da diesen Kulturtempel, der reizvolle literarische Stoffe aufbereitet, sehr oft mit Musik. Comedy gibt es bei uns nicht.

Wie oft stehen Sie selbst in Ihrem Theater auf der Bühne?
Jedes zweite Wochenende, dazu kommen musikalische oder literarische Projekte. Es ist ein Ort, an dem ich alles ausprobieren kann, eine unglaubliche Kraftquelle. Ich hatte immer gehofft, dass ich so etwas finde und mit dem „Theater am Rand“ habe ich diese Möglichkeit. Dazu drehe ich von montags bis freitags „In aller Freundschaft“. Es ist ein pralles, mit Sinn gefülltes Leben, ohne rote Teppiche, das brauche ich nicht.

Wenn Sie sich entscheiden müssten - Theater, Serie oder Musik?
Das angenehme ist, ich muss mich nicht entscheiden. Es gibt für einen Schauspieler nichts Schöneres, als solch gegensätzliche Sachen machen zu können. Einen Tag drehe ich eine Unterhaltungsserie, am nächsten Abend spiele ich im Theater Hermann Hesse, am übernächsten stehe ich mit meiner Rockband auf der Bühne. Besser geht es nicht. Mittlerweile leben „In aller Freundschaft“ und das Theater am Rand 21 Jahre miteinander.

Serie, Theater, Konzerte - wann gönnen Sie sich Pausen?
Ich genieße den Abend zu Hause. Eine amerikanische Paartherapeutin sagte mal so schön: Nach getaner Arbeit bringt man seine Reste nach Hause. Ich versuche also, meine Reste immer noch ein bisschen zu belohnen, mit einem guten Essen oder gutem Wein. In den Urlaub geht es natürlich auch. Dafür ist schon noch Zeit, aber zu wenig. Das ist ein Widerspruch, den ich wohl bis zum Schluss nicht lösen werden kann. (mz)

Mehr zum Informationen zum Cultoursommer finden Sie hier.