IG-Farben-Haus IG-Farben-Haus: Ein geschichtsträchtiges Gebäude wird 75 Jahre alt

Frankfurt/Main/dpa. - Nach demZweiten Weltkrieg machten die Amerikaner den Bau zu ihremHauptquartier. Diese schlossen nach mehreren linksterroristischenAnschlägen in den 70er Jahren das Gebäude fürs Publikum. 2001 zognach dem Abzug des US-Militärs die Goethe-Universität ein.
Baumeister des mit ockergelbem Travertin-Stein verkleidetenStahlskelett-Gebäudes, das im früheren Park der Bankiers-FamilieRothschild errichtet wurde, war Hans Poelzig. Nach dem BerlinerArchitekten (1869-1936), der als Vertreter der «Neuen Sachlichkeit»bei den Nazis missliebig wurde, wird das IG-Farben-Haus auch Poelzig-Bau genannt. Denn das im Hauptteil leicht geschwungene Gebäude hatMaßstäbe in der Architektur gesetzt: Trotz seiner Größe besticht esmit schlichter Eleganz.
Poelzig sollte für die IG Farben (InteressengemeinschaftFarbenindustrie AG), zu der sich damals die sechs großen ChemiefirmenDeutschlands zusammengeschlossen hatten, ein «eisernes und steinernesSinnbild deutscher kaufmännischer und wissenschaftlicherArbeitskraft» bauen. Dafür hat er auf einer Länge von 255 Meterneinen Bau mit sechs Flügeln errichtet, die die Gründungsfirmen der IGFarben symbolisieren. Mit 36 Metern Höhe hat der großzügige Bausieben Stockwerke mit 2000 Fenstern und 2,5 Kilometer langenKorridoren. Mit sechs Personen- und acht Umlaufaufzügen galt dasHaus, das für 1600 Mitarbeiter geplant war, als das modernsteBürogebäude Europas.
Nach der Machtübernahme der Nazis hielt sich die IG Farbenanfangs noch mit Rücksicht auf zahlreiche jüdischeVorstandsmitglieder zurück. Doch nach der «innerbetrieblichenArisierung» wurde die IG Farben zu einem der wichtigstenRüstungskonzerne, der an der Ausbeutung und Ermordung tausenderZwangsarbeiter beteiligt war. Die IG-Farben Tochter Degeschentwickelte das Giftgas Zyklon B, das für den industriellenMassenmord an den europäischen Juden in den Vernichtungslagernbenutzt wurde.
Die schweren Luftangriffe der Alliierten auf Frankfurt überstanddas Gebäude 1943/44 fast unversehrt. Als die Amerikaner im März 1945Frankfurt besetzten, übernahmen sie sofort das Gelände. DerOberkommandierende der US-Streitkräfte und spätere US-Präsident,Dwight D. Eisenhower, richtete sein Dienstzimmer im ersten Stock desIG-Farben-Hauses ein. Hier gründete er mit der «Proklamation Nr. 2»die Länder Bayern, Württemberg-Baden und Groß-Hessen. Hier erhieltauch der Parlamentarische Rat den Auftrag, das deutsche Grundgesetzzu erarbeiten.
50 Jahre lang residierte das amerikanische Militär im «Farben-Building». Im Zuge der Reorganisation ihrer Truppen nach derdeutschen Wiedervereinigung übergaben sie 1995 das Gebäude an dieBundesrepublik, die es für 148 Millionen Mark (rund 75 MillionenEuro) an das Land Hessen verkaufte. Nach einer Grund-Sanierung desGebäudes zog die Goethe-Universität 2001 mit ihren ersten Institutenein.
Bis heute wird darüber diskutiert, ob das Gebäude nun IG-Farben-Haus oder Poelzig-Bau genannt werden sollte. Die «IG-Farbenfraktion»führt ins Feld, dass mit der Erinnerung an den Bauherrn auch dienationalsozialistische Vergangenheit des Gebäudes deutlich gemachtwird. Immer wieder taucht auch das Gerücht auf, dass die Amerikanerdas Bauwerk im Zweiten Weltkrieg bewusst nicht bombardierten, umspäter dort ihr Hauptquartier zu errichten. Es gibt jedoch keineHinweise dafür, dass dies der historischen Wahrheit entspricht.
Einen Tag nach dem runden Jubiläum des Poelzig-Baus wird dort amkommenden Sonntag (2. Oktober) auch das Land Hessen seinen 60.Geburtstag feiern. Bis 2015 sollen auf dem Park-Gelände mit einigenNeubauten ein großer Campus für die gesamte Goethe-Uni entstehen.Damit schließt sich der Kreis: Denn die Familie von Frankfurtsbekanntestem Sohn, nach dem die Hochschule benannt wurde, besaß im18. Jahrhundert dort einst ein Gärtchen.