Helmut Brade Helmut Brade: Hundertfach gute Plakate
Halle/MZ. - Zum 66. Geburtstag und im Jahr der Emeritierung Helmut Brades von der Kunsthochschule Burg Giebichenstein war die Galerie Moritzburg in der Pflicht, dem international anerkannten Grafiker aus Halle eine Retrospektive einzurichten. Gemeinsam mit der Berliner Kunstbibliothek zusammengetragen, konzentriert sich die Ausstellung auf den Aspekt, für den Brade geradezu als Synonym steht. Als wären sie eine in die Fläche ausgerollte Litfass-Säule, blickt man die Wände entlang auf 43 Jahre rastloser Plakatproduktion. Sie ist derzeit bei der laufenden Nummer 604 angelangt.
Der Effekt des kreativen Chaos ist wohl beabsichtigt. Es geht unter anderem darum, dem Betrachter die schiere Fülle des Bradeschen Schaffens, nicht zuletzt aber auch dessen zum Programm erhobene Verflechtung mit der Kulturszene vor Augen zu führen.
Quer durch die Jahrzehnte ist zu verfolgen, wie Brade an nichts so sehr seine Schöpferkraft verwendet wie an verwandte Künste - Bühnen und Malerei vor allem. Da trifft er auf die Inhalte, die seinem Sendungsdrang nicht nur nach grafischer Umsetzung, sondern auch ethischer Weltverbesserung entgegenkommen. In der halleschen Szene finden nebst einer Handvoll Künstler vor allem Peter Sodanns Bühnen fast ausschließlich in Brade ihren Mittler zur Öffentlichkeit - ein beredtes Zeugnis von Vertrautheit und Nestwärme zugleich.
Der Auftragskünstler im zwangsläufigen Sinne hat in einigen Fällen politische Aussagen kommuniziert, die doppelbödig daherkommen, etwa in seinem Wettbewerbsbeitrag von 1980, in dem er "Wasser als Lebenselement" in Form einer rabenschwarzen Fläche zeigt. Appelle gegen den Krieg hebt er auf einen ethischen Konsens. Brades Wechselspiel mit der Macht, das sich in seinen vielen West-Aufträgen spiegelt, wird durch das Werk mehr verhüllt als offenbart.
Künstlerisch fließt es jedenfalls wie ein Urstrom dahin und ist schon in den Anfängen mit allen Wassern der höheren Plakatkunst gewaschen. Wenn darin ein Grundsatz wie der, den der Dresdner Kunsttheoretiker Joseph August Lux schon 1902 formulierte, seine Gültigkeit über die Zeiten behält, so kann Brade inzwischen zu den Klassikern gezählt werden: "Es liegt im Wesen des Plakats, dass es sich mitten im Verkehrsstrome dem Menschen entgegenstellt, die Aufmerksamkeit auch der Teilnahmslosesten fesselt und jedem, auch dem Widerstrebenden, einen Erinnerungswert mitgibt."
Tatsächlich haben sich Bradesche Plakatmotive, und darüber hinaus sein absolut individueller Umgang mit der Typografie tief ins regionale Gedächtnis eingegraben. Mancher Besucher stößt unvermittelt auf die eigene Vergangenheit. Dabei ist es nicht eigentlich Brades Stil, der sich wandlungsfähig zeigt. Im Grunde bleibt der Grafiker seinen Mitteln treu bis hin zum Widerstand gegen alle Einflüsse, die er als pure Modeströmung beargwöhnt. In Wirklichkeit dringen diese in den 60er- und 70er-Jahren sichtbar durch, aber in eher unterschwelliger Reaktion etwa auf Pop-Art und andere Jugendkulte. Den neueren Bildsprachen bleibt Brade hingegen verschlossen.
Brades Werk wirkt auch nach 600 Blättern frisch. Es liegt wohl daran, dass er nicht aufhört, sich für die Inhalte zu interessieren. Es ist auf diesem Weg, dass er zur Spannung zwischen Bild und Botschaft findet, also der Essenz guter Plakatkunst.
Bis 11. Januar 2004, Mi-So 10-18, Di 11-20.30 Uhr. Katalog 18 Euro. Am 25. Nov. Künstlergespräch mit Brade, 19 Uhr.