Helge Schneider auf Sommertour Helge Schneider auf Sommertour: "Es soll ruhig auch mal nerven"

Leipzig - Gaga-Songs wie „Katzeklo“ und „Es gibt Reis, Baby“ machten Helge Schneider (64) zu einem der beliebtesten Komiker der Deutschen. Der Sänger, Multiinstrumentalist und Musikclown aus Mülheim an der Ruhr ist seit rund 45 Jahren auf Tour und veröffentlicht im August eine neue Platte, die er selbstredend auch live vorstellt - zum Beispiel am 20. August in Leipzig. Das Motto der Konzertreise lautet: „Pflaumenmus - die Tournee zum Mus.“ Olaf Neumann sprach mit Helge Schneider über seine Vorfreude, Politsongs und wahre Unabhängigkeit.
Herr Schneider, auf Ihrem Album spielen Sie keine Alte-Herren-Mucke, sondern moderne Dance-Rhythmen. Welcher Sound schwebte Ihnen vor, als Sie ins Studio gingen?
Helge Schneider: Wenn ich morgens aufstehe, mache ich das Radio an. Dann höre ich zum Beispiel diese moderne Musik mit nur ein oder zwei Harmonien, das muss wohl heute so sein. Davon beeinflusst ist natürlich auch meine aktuelle Musik. Das hört sich im Radio alles wahnsinnig wichtig an, obwohl die Texte absolut hanebüchen sind. Im Grunde genommen ist mein „Dance to the music“ eine Satire auf die Stereotypen von heute. Es soll ruhig auch mal nerven.
Wie haben Sie die Platte aufgenommen?
Helge Schneider: Ich habe die Songs entweder alleine oder zusammen mit Henrik Freischlader gemacht. Manchmal haben wir nur mit Saxofon und Gitarre drauflosgespielt. So ist zum Beispiel „Ich bin der Party People“ entstanden, wo aber zufällig Peter Thomas das Schlagzeug bedient. „This is a political song“ hingegen haben wir so eingespielt, wie man es auf der Platte hört.
Sie machen jetzt auch Politsongs. Bewirkt es etwas, die Stimme zu erheben?
Helge Schneider: Kunst ist subversiv. Sie hat sicherlich eine Macht im Untergrund, oft auch auch über Jahrhunderte verspätet. So ist eben Kunst. Der „Political song“ ist eigentlich eine Persiflage, aber nicht nur auf den Politsong, sondern auch auf das, was uns bewegt. Heute zentriert sich alles auf den amerikanischen Präsidenten. Klima, Geld, Krieg. Von den Medienberichten über ihn wird man fast erschlagen, deshalb heißt es in dem Song auch „Trump, Trump, Trump!“ Im Grunde genommen sage ich in dem Song gar nicht viel, aber der Hörer muss trotzdem über das Gesagte nachdenken. Ist das schon Aufruf zur Revolution?
Das Stück „Einkaufen“ ist ein Kurzhörspiel über Menschen, die sich gerne reden hören. Was hat Sie dazu inspiriert?
Helge Schneider: So wie in dem Stück sind die Leute wirklich. Sie erzählen manchmal nur von sich. Ich habe einfach das Tonband angemacht und angefangen zu quatschen, ohne mir vorher Gedanken gemacht zu haben. Dabei habe ich das Tonband auf langsam gestellt, damit ich eine hohe Stimme habe, dann habe ich es schneller gedreht. Die beiden Stimmen fallen sich immer gegenseitig ins Wort. Das ist Jazz. In der zweiten Hälfte der Platte findet sich eine Ballade, auf der ich zuerst Klavier und dann Saxofon spiele, einfach improvisiert. Es hört sich aber irgendwie schön an, und deshalb kam es auf die Platte. So mache ich das jetzt immer. Ich bin ja nicht an eine große Plattenfirma gebunden, wo sowas wahrscheinlich nicht möglich wäre.
Kann man das, was Sie machen, Avantgarde nennen?
Helge Schneider: Ich zeige auf, dass man alles machen kann. Hauptsache, es gefällt mir selbst! Wie es anderen gefällt, ist mir erstmal egal. Der Rest ergibt sich. Ich stelle fest: Avantgarde!
Machen Sie nur noch Schallplatten für den harten Kern?
Helge Schneider: Das weiß ich gar nicht. Das haben sich schon Leute angehört, die nicht zum harten Kern gehören. Die können damit etwas anfangen. Vor allen Dingen, wenn man es auf CD im Auto hört. Wenn man sich auf den verschiedenen Autobahnen in Deutschland durch den Verkehr wühlt, hat man wenigstens Spaß dabei.
Fahren Sie bei Ihrer Sommertour mit dem eigenen Wohnmobil von Stadt zu Stadt?
Helge Schneider: Ja natürlich. Soll ich zu Fuß gehen? Und manchmal fühle ich mich in den Garderoben nicht wohl. Im Wohnmobil habe ich meine Ruhe, darum geht’s mir.
Kommen Ihnen auf nächtlichen Autofahrten die Ideen zu Ihren skurrilen Hörspielen?
Helge Schneider: Ja, bestimmt. Aber sie kommen mir eigentlich überall. Ich muss dazu nicht unbedingt im Wohnmobil, auf dem Motorrad oder in der Badewanne sein. Manchmal kommen mir Ideen in dem Moment, wo ich denke, ich müsste mal was machen. Unter dem Stern der Arbeit. Aber manchmal habe ich auch spontane Ideen, die ich versuche zu behalten, aber auch wieder vergesse. Das gehört dazu. Ich mache mir darüber nicht so viele Sorgen, dann ist es eben weg. Irgendwann taucht es wahrscheinlich wieder auf.
Wie häufig üben Sie?
Helge Schneider: Ich übe gar nicht richtig. Ich lasse lieber den Zufall die Sache machen. So war das auch bei der neuen Platte. Ich habe dabei keine Strategie verfolgt, sondern einfach aufgenommen, wozu ich Lust hatte. Mal hier, mal da. Und dann habe ich noch eine alte Aufnahme dazugenommen, weil das irgendwie passte. Für mich ist das wie eine Ausstellung. Zwölf verschiedene Bilder, die überhaupt nichts miteinander zu tun haben, aber trotzdem zusammenpassen.
Das Album erscheint zufällig zur Gastspielreise „Pflaumenmus - die Tournee zum Mus“. Was reizt Sie daran, Stücke wie „Lonely Pony“ oder „Kirmes Blues“ live zu spielen?
Helge Schneider: „Lonely Pony“ ist ein toller Westernsong. Den haben wir schon im Frühjahr gespielt. Carlos kriegt bei dem Song immer einen Riesenapplaus für den Mittelteil, den er auf der andalusischen Dulcaima spielt. Das ist eine hölzerne Tröte mit einem Fagott-Mundstück. Die Leute finden das gut, weil es authentisch ist und wir den Song unheimlich gerne spielen. Das ist das Geheimnis bei allem, was wir machen. „Dance to the music“ können wir auf 20 Minuten ausdehnen, weil ich dazu immer etwas Neues erfinden kann. „Ich drück die Maus“ und „Klapperstrauß“ waren ähnlich tolle Songs. Dazu kann ich wunderschön tanzen, weil sie so funky sind. Auch das ist wichtig.
Warum treten Sie noch immer so oft live auf?
Helge Schneider: Ich mache das nicht nur für mich, damit ich Geld verdiene. Das ist ein Auftrag, das macht ja Spaß, wenn die Leute alle froh und glücklich sind. Und man selber auch. Würde man es nur wegen der Kohle machen, kann man gleich zu Hause bleiben. Das geht ja nicht.
Haben Sie für die Show neue Tanzschritte eingeübt?
Helge Schneider: Nee. Aber ich habe mal einen super guten Tänzer aus Äthiopien kennengelernt. Er hat einen Tanzstil, bei dem er mit den Schultern zittert. So was würde ich gerne können. Der Typ hat einen Waschbrettbauch. Seine Haut fühlt sich an wie Holz. Habe ich ja nicht, ne.
Wie bereiten Sie sich mental auf eine Tournee vor?
Helge Schneider: Das mentale Vorbereiten bezieht sich eher darauf, mir zum Beispiel einen tollen E-Bass zu besorgen. Oder eine Orgel, die man zusammenklappen kann. Ein Instrument, mit dem man wenig Arbeit hat, aber schön mit spielen kann. Und dann male ich mir aus, dass wir einfach losfahren und spielen. Das Schöne an der Band ist, dass wir gut improvisieren können. Wir müssen nicht unbedingt ein Stück einstudieren. Ich weiß gar nicht, ob wir viel proben werden. Die Songs auf der neuen Platte können wir auf jeden Fall spielen - und dann krame ich wieder etwas raus, was ich sonst noch gut finde. Etwa „Wurstfachverkäuferin“, oder ich singe einen anderen Text bei „Katzeklo“. Bei den Liedern sind die Möglichkeiten zur Improvisation vollkommen offen. „Katzeklo“ kann ich mit anderem Text und sogar anderer Musik spielen. Meine Jungs wissen das. Aber Henrik kann auch ein tolles Bluessolo spielen.
Welche neuen Instrumente werden Sie bei der „Pflaumenmus“-Tour spielen?
Helge Schneider: Das weiß ich noch nicht, aber ich hatte schon mal eine Hawaii-Gitarre mit. Ich habe auch eine Mandoline, die ich noch nie gespielt habe, aber irgendwie ist das Ding gut. Und penetrant laut. Vielleicht werde ich mein Akkordeon wieder schultern. Auf jeden Fall freue ich mich immer wieder auf eine Tournee.
Das Konzert am 15. August 2019 in Magdeburg ist ausverkauft; für Leipzig (20. August) und Dresden (23. August) gibt es noch Tickets. Die Tour „Die Wiederkehr des blaugrünen Smaragdkäfers“ führt Helge Schneider am 14. März 2020 in die Stadthalle Magdeburg; Karten bei TiM Ticket: 0345/565 56 00