"Hart aber fair" mit Helfern und Betroffenen "Hart aber fair" mit Helfern und Betroffenen: Frank Plasberg zeigt Flüchtlingskrise in ungeschönten Bildern

Während in Berlin noch darüber gestritten wird, wer wann was zum Schutzstatus der Syrer gesagt hat und wer nicht, machten Frank Plasberg und sein Team das einzig Richtige – und ließen am Montagabend echte Helfer sprechen statt Verantwortliche. Die, die Tag für Tag in Flüchtlingsunterkünften malochen und Bettdecken organisieren, die auf der Wiese an der österreichischen Grenze stehen und ganze Busladungen koordinieren.
Die Gäste, die dieses Mal ins „Hart, aber fair“-Studio gekommen waren, hätten vor lauter eigenen Erfahrungen jeder alleine eine Sendung füllen können. Lothar Venus zum Beispiel, der zweite Bürgermeister im bayerischen Wegscheid an der Grenze zu Österreich, der vor einigen Wochen – auf einer kalten Wiese zwischen Flüchtlingen stehend - mit seiner Äußerung für Aufsehen sorgte, es sei nur noch eine Frage der Zeit, bis dort ein Kind sterbe.
Oder Heike Jüngling, die als Sozialdezernentin im kleinen Königswinter jeden Tag mit der Überlastung der Kommunen konfrontiert wird. Wie geht es den Helfern, fernab der so langsam mahlenden Mühlen der Bürokratie? Wie wirkt sich das unentschlossene Mäandern des Bundes dort aus, wo es drauf ankommt? Ziemlich einig war sich die Runde jedenfalls: Es fehlt an einem Plan.
Situation nicht geschönt
Um darzustellen, was das bedeutet, hatte die ARD die Richtigen im Studio. Fern jeglicher Romantisierung stellten die Gäste die Brisanz ihrer Situation vor. Viele Kommentatoren im Online-Forum der Sendung hatten genau das befürchtet, schon Stunden vor Beginn. Es hätten natürlich Bilder gezeigt werden können von gut integrierten Flüchtlingen in Gastfamilien oder aber von Ehrenamtlern, die sich auf multikulturellen Mehrwert und eine bunte Gesellschaft freuen. Diese Bilder gibt es, sie zeigen einen Aspekt der Thematik, und gezeigt werden sollten sie immer wieder. Dem ein oder anderen rassistischen Hetzkommentar zum Trotz.
Besser war es aber, die Situation eben so darzustellen, wie sie in ihrer Gesamtheit ist – mit all der Überforderung, der Unsicherheit, den Sorgen, die sich nicht nur in Mails und Foren in Plasbergs Redaktion Bahn brachen, sondern auch von den Eingeladenen veranschaulicht werden konnten.
Hochschwangere und fehlende Übersetzer
Besonders beeindruckend machte das Holger Michel deutlich. Der PR-Unternehmer aus Berlin, der seit Wochen jeden Feierabend in einer Berliner Flüchtlingsunterkunft verbringt, um dort zu helfen, hatte ein Protokoll eines Tages mitgebracht, der strotzte vor lauter Klippen. Wenn plötzlich 240 statt wie angekündigt 150 Menschen vor der Tür stehen, wenn Hochschwangere in die Klinik müssen, aber kein Übersetzer zur Stelle ist, wenn Betten und Babynahrung fehlen oder Sicherheitsleute ohne Bezahlung über ihren Feierabend hinaus weiter arbeiten.
Pragmatisch berichtete der Berliner von Registrierungen per Hand, wenn das Computersystem nicht funktioniert und davon, dass er seine Freunde mangels Freizeit nun eben immer ins Flüchtlingsheim einlädt – woraufhin diese meistens gleich als Helfer bleiben.
Lesen Sie im nächsten Abschnitt, was Tania Kambouri zur Flüchtlingskrise sagt.
Königswinterer auf sich allein gestellt
Ein ähnliches Bild zeichnete Heike Jüngling aus Königswinter, deren Kommune sich ein eigenes Registrierungssystem schaffen musste – ohne Vernetzung zu den Behörden. Wer kommt wann wo an? Wie geht es weiter? „Wir brauchen einen Plan“, so der Appell der Sozialdezernentin.
Noch vor dem Plan setzte der MDR-Reporter Sandro Poggendorf an. „Was nicht geht ist, nicht mit den Leuten zu reden“, prangerte er an, nachdem sein Film über das Maritim-Hotel in Halle eingespielt worden war: Dessen Besitzer hatte das Gebäude kurzerhand aus Gründen der Lukrativität zum Flüchtlingsheim umfunktioniert – die Mitarbeiter, teils 40 Jahre im Betrieb, erfuhren von ihrem Rauswurf erst wenige Wochen vorher über einen Zeitungsbericht. Geschäftemacherei mit Flüchtlingen, Heime, die urplötzlich in den Kommunen eröffnet werden: „Die Politik muss sich trauen, rechtzeitig klar Schiff zu machen“, forderte Poggendorf.
Tania Kambouri berichtet von Kriminalität
Als Tania Kambouri zu Wort kam, wurde deutlich, wie viele Fallstricke der Debatte aber schlicht auch zugrunde liegen. Die Bochumer Polizistin, die ihre persönlichen Erfahrungen mit muslimischer Gewalt in ihrer Arbeit vor einigen Wochen als Buch veröffentlicht hatte, irritierte mit einer frischen Anekdote über einen Handydiebstahl, der auf die Kappe eines männlichen, nicht registrierten Flüchtlings ging.
So richtig sträubte sich niemand oder warf ein, dass unter einer derart großen Gruppe von Neuankömmlingen nun mal auch Kriminelle zu finden sind – im gesellschaftlichen Querschnitt wäre das nicht anders. Bloß PR-Unternehmer Michel wies auf die bisher nicht angestiegenen Kriminalitätszahlen hin und betonte: „Mir machen Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte und Anschläge wie der auf die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker mehr Angst.“
„Nicht jeder, der kommt, ist ein Terrorist“, sagte Kambouri schließlich, betonte aber ihr mulmiges Gefühl anhand der vielen, noch nicht registrierten Flüchtlinge, die sich durch zähe Bürokratie wie in einem rechtsfreien Raum bewegten.
Weil Wahrheiten und handfeste Lösungen trotz der zupackenden Gäste in einer Stunde „Hart, aber fair“ nicht zu stemmen waren, endete die Sendung mit einem offenen Brief voller Forderungen an die Bundeskanzlerin. Ein Plan soll her, das stand natürlich über allem. Neue Computer und bessere Vernetzung der Behörden wären allerdings auch schon mal ein Anfang.
Und das Gespräch auch mit kritischen Bürgern, so der Konsenz der Runde. Das „Wir schaffen das“ würde so wieder ein Stück greifbarer werden. Der Pragmatismus der Gäste könnte dafür ein Vorbild sein.

