Harry Potter Harry Potter: Am Ende heißt es: Alles war gut

Halle/MZ. - Wie viel einfacher wäre es doch, wenn bei der Lesung von Joanne K. Rowling ein Porträt von Phineas Nigellus Black zugegen gewesen wäre, das den direkten Kontakt zwischen so weit entfernten Orten wie Hogwarts und Grimmauld Place halten kann - und wenn die gute alte Eulenpost die Auslieferung von "Harry Potter and the Deathly Hallows" übernommen hätte!
Man neigt zu solchen wunderlichen Gedanken, wenn man 24 Stunden in einem 600 Seiten starken Wälzer gefangen war, der zudem in einer fremden Sprache abgefasst ist. Joanne K. Rowling aber schreibt ein so flüssiges und schlüssiges Englisch, dass man ihr über die lange Distanz fast mühelos folgen kann. Dass man ihr folgen muss, wenn man sich einmal in ihren Bann begeben hat, ist ohnehin klar.
Ins Blutbad springen
Denn der siebte und wirklich abschließende Band der Harry-Potter-Saga ist die verdiente Belohnung für all jene, die der Autorin und Ihrem Helden zehn Jahre lang die Treue gehalten haben - und eine Strafe für jeden, der erst jetzt auf den Hogwarts-Express aufspringen will. Wer nicht weiß, was ein Vielsaft-Trank ist und wie man mit Portschlüsseln reist, wird wenig Freude am letzten, geschwänzten Schuljahr der Freunde Harry, Ron und Hermine haben. Wer mit solchen Finessen hingegen vertraut ist, darf sich auf ein nervenaufreibendes Abenteuer freuen.
Der letzte Band wirkt über weite Strecken so, als wolle Joanne K. Rowling ihren großen Bildungsroman in einem Blutbad beenden. Bereits auf den ersten Seiten begegnet man Lord Voldemort höchstpersönlich, Harrys erster Auftritt kostet einem alten Bekannten das Leben - und fortan ist nichts mehr, wie es sein sollte. Einstige Lichtgestalten werden von den Schatten ihrer Vergangenheit eingeholt, während boshafte Zeitgenossen ihr gutes Herz entdecken. Und die bereits früher angedeuteten Parallelen zur Rassenpolitik der Nationalsozialisten sind nun so evident, dass man schaudert.
Doch während der "Tagesprophet" die Registrierung von Halbblütern propagiert und Remus Lupin seinen werwölfischen Charakter verfluchen wird, plagen Harry ganz andere Sorgen: Er muss jene magischen Gefäße finden, in denen sein Widersacher Voldemort Teile seiner Seele verschlossen hat - und nebenbei noch nach den seltsamen "Hallows" Ausschau halten.
Schlüsselwort "Narbe"
Dass die Autorin die schlimmstmögliche Wendung dann übrigens doch nicht riskiert, mag wohl auch mit ihrem eigenen Seelenfrieden zusammenhängen: Der Mord an jenen Geschöpfen, die Millionen von Menschen ans Herz gewachsen sind, hätte mutmaßlich auch ihrer Schöpferin das Herz gebrochen. Was nicht heißen soll, dass Joanne K. Rowling nicht zu großen Opfern bereit wäre. Vor allem aber treibt sie ihre zu Recht viel gerühmte Technik der geschickten Andeutungen und falschen Fährten noch einmal auf die Spitze, um sie am Ende zugunsten einer befriedigenden Lösung aufzugeben.
"Alles war gut" lautet der letzte Satz, das ursprünglich als Schlussstein versprochene Schlüsselwort "Narbe" liest man sieben Worte zuvor. Dieser Epilog, in dem der Leser von Harrys glücklicher Ehe mit Ginny und ihren drei gemeinsamen Kindern erfährt, liest sich im übrigen wie das eigentliche Märchen. Den zentralen Satz aber hat längst ein Mann gesprochen, der eigentlich schon im sechsten Band gestorben ist: "Natürlich passiert das in deinem Kopf, Harry, aber warum um Himmels Willen sollte das heißen, dass es nicht real ist?"
Joanne K. Rowling: "Harry Potter and the Deathly Hallows", Bloomsbury, London, 607 Seiten, 18,90 Euro