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Harald Juhnke Harald Juhnke: «Achterbahn des Lebens» führte ins Pflegeheim

Von Wilfried Mommert 02.06.2004, 07:46
Harald Juhnke spielt im Fernsehfilm "Der Trinker", der im Oktober 1995 im Studio Hamburg der Presse vorgestellt wurde (Archivfoto). Am 10. Juni 2004 feiert der Schauspieler und Entertainer seinen 75. Geburtstag. Der vielfach ausgezeichnete Künstler blickt auf eine der schillerndsten deutschen Nachkriegskarrieren im Showgeschäft zurück. Mit 19 Jahren stand er zum ersten Mal auf der Bühne, seitdem spielte er in zahllosen Theaterstücken und Filmen. Zum Publikumsliebling entwickelte sich der Entertainer außerdem als Gastgeber diverser Fernsehshows. Seit 2001 lebt Juhnke, der immer wieder mit Alkoholproblemen zu kämpfen hatte, in einem Heim für Demenzkranke bei Berlin. (Foto: dpa)
Harald Juhnke spielt im Fernsehfilm "Der Trinker", der im Oktober 1995 im Studio Hamburg der Presse vorgestellt wurde (Archivfoto). Am 10. Juni 2004 feiert der Schauspieler und Entertainer seinen 75. Geburtstag. Der vielfach ausgezeichnete Künstler blickt auf eine der schillerndsten deutschen Nachkriegskarrieren im Showgeschäft zurück. Mit 19 Jahren stand er zum ersten Mal auf der Bühne, seitdem spielte er in zahllosen Theaterstücken und Filmen. Zum Publikumsliebling entwickelte sich der Entertainer außerdem als Gastgeber diverser Fernsehshows. Seit 2001 lebt Juhnke, der immer wieder mit Alkoholproblemen zu kämpfen hatte, in einem Heim für Demenzkranke bei Berlin. (Foto: dpa) WSR

Berlin/dpa. - Sein langjähriger Sender ZDF, für den er «Musik ist Trumpf»moderierte, ehrt ihn an diesem Tag mit einer Gala. Darin erinnernsich Freunde und Weggefährten an die Zusammenarbeit mit Juhnke.Bestrebungen, den Kranken selbst auftreten zu lassen, erteilte seineFrau eine Abfuhr: «Das Publikum soll ihn so in Erinnerung behalten,wie er früher war.»

Vor vier Jahren floss der Alkohol zum letzten Mal in großer Menge,und einer der talentiertesten Unterhalter Deutschlands trat seinelange Reise in die Nacht an. In dem Pflegeheim für verwirrte Menschenmurmelt er hin und wieder etwas von Vorhang, Applaus und Bühne. Ebenvon der Bühne, auf der der Star mit der knarrenden Stimme auch in demTrinker- und Sozialdrama im Schauspielermilieu «Eines langen TagesReise in die Nacht» von Eugene O'Neill Erfolg hatte.

Die Abstürze kamen oftmals gerade nach den größten beruflichenTriumphen wie nach seiner Bühnenrolle in «Der Hauptmann von Köpenick»1997 im Berliner Maxim Gorki Theater. Oder nach der beklemmendauthentischen Fallada-Fernseh-Verfilmung «Der Trinker» 1995. Erempfinde dann immer eine «entsetzliche Leere» und falle in ein tiefesLoch, bekannte er.

Im Dezember 2001 war Susanne Juhnke nach einem wahren Psycho-Horrortrip - ihr Mann verwüstete immer wieder die Wohnung oder legtenachts in Disko-Lautstärke Frank-Sinatra-Platten auf - am Ende ihrerKräfte. Ihr Mann kam in das Heim ins brandenburgische Fredersdorf.

Seitdem drangen unterschiedliche Nachrichten nach draußen. Maläußerte sich der Sohn aus erste Ehe, der Münchner Arzt Peer Juhnke,entsetzt über den Zustand seines Vaters, der keinen mehr erkenne.Dann kam der Schauspieler wegen der Gefahr einer Austrocknung in dieKlinik oder musste in den Rollstuhl. Im vergangenen Dezember hattesich sein Gesundheitszustand drastisch verschlechtert.

Im Januar aber hieß es: «Juhnke läuft und spricht wieder.» Immerneue Hoffnungszeichen und Niederlagen. Mal tanzt Susanne Juhnke mitihrem Mann Walzer in der Klinik, dann ruft der Schauspieler plötzlichwieder nach dem Regisseur und beschwert sich über eine zu niedrigeGage. «Mein eigener Mann, der strahlende Sonnyboy auf der Bühne, derüber alle Maßen geliebte Entertainer, so hilflos, dieses HäufchenElend», notierte die Ehefrau.

Der «deutsche Frank Sinatra», wie Juhnke sich auch gerne sah, sangfrüher: «Ich nahm, was ich bekam und nahm manches nicht so wichtig»,denn «I Did It My Way» (Ich tat es auf meine Weise). Und richtig: Derkleine Harry aus einem Berliner Arme-Leute-Viertel hat viel vom Lebengeboten bekommen, eine einzigartige Karriere und Popularität.

Doch der Lebemann wurde mit dem Erfolg nicht fertig, vor allem,wenn er mit sich alleine war. «Ich weiß manchmal gar nichts mit miranzufangen, auf deprimierende Weise wenig anzufangen», offenbarteJuhnke in seinen Memoiren («Meine sieben Leben», Rowohlt 1998). DasBuch sei ein Blick zurück auf die «Achterbahnfahrten meines Lebens,mein Testament».

In ihren Erinnerungen («In guten und in schlechten Tagen - MeinLeben», Droemer/Knaur Verlag) schildert Susanne Juhnke ihrenvergeblichen Kampf gegen die Sucht und wie sie dann mit ansehenmusste, «wie der geliebte Partner allmählich im Dunkel verschwindet».Der TV-Unterhalter mit manchmal traumhafter Einschaltquote von 59Prozent (über 30 Millionen Zuschauer) war nach Feststellung vonExperten manisch-depressiv.

Der Sohn eines Polizeibeamten, 1929 geboren als Harry HeinzHerbert Juhnke, stand 1948 im heutigen Maxim Gorki Theater in Berlinzum ersten Mal auf der Bühne. In zahlreichen Theater-, Film- undFernsehrollen («Harald und Eddie») begeisterte er einMillionenpublikum, auch mit seinen Gesangs-Tourneen («New York, NewYork»). Diese waren allerdings, wie auch manche Fernsehauftritte undDreharbeiten, immer wieder von Alkoholeskapaden begleitet. Am 11.Dezember 2001 verkündete sein langjähriger Manager Peter Wolf:«Harald Juhnke ist unheilbar krank. Sein Geist ist verwirrt. HaraldJuhnke wird nie wieder auf einer Bühne oder vor einer Kamera stehen.Heute endet die wohl schillerndste Nachkriegskarriere eines deutschenSchauspielers und Entertainers.»