"Grüße vom Rennsteig" "Grüße vom Rennsteig": Wie Herbert Fritsch das Andenken an Herbert Roth lebendig erhält

Sieben Jahre nach dem Besuch des damaligen Papstes Benedikt im Eichsfeld hält sich dort hartnäckig ein Gerücht. Demnach hätte der Heilige Vater gerne nach dem Gottesdienst mit rund 90.000 Gläubigen mehr erfahren wollen über einen Heiligen der Thüringer Volksmusik: Herbert Roth (1926-1983), singender Friseurmeister und ungekrönter Musikanten-König des Ostens.
Die Gründe, woran 2011 die päpstliche Absicht letztlich gescheitert ist, liegen im Dunkeln. Während der Vatikan sich zu Spekulationen dieser Art ausschweigt, stimmt eins aber wie ehedem: Der größte Fan des vor 35 Jahren verstorbenen Komponisten und Sängers ist ein waschechter Eichsfelder - Herbert Fritsch, nach seinen eigenen Worten: „Ich bin auch so ein Thüringer Musikantenblut.“
Herbert Fritsch zwischen Rennsteig und Wallfahrtsziel
Der Fleischer, der mit seiner Familie neben einer Schlachterei noch ein Hotel betreibt, ist sich freilich ganz sicher: „Auch der Papst hätte sich bei uns in Heyerode heimisch gefühlt.“ Das muss nicht einmal übertrieben sein. Immerhin ergänzen sich in dieser Gegend zwischen Mühlhausen und Eisenach eine besondere Gottesfürchtigkeit und ein nicht nur katholischer Appetit auf frisches Gehacktes und kräftigen Enzian.
Fritsch selbst kleidet sein Heimatbild in ein geografisch-philosophisches Gleichnis: „Mein Dorf liegt in der Mitte.“ Der Rennsteig-Wanderweg Roths liege ihm genau so nahe wie das Wallfahrtsziel des Papstes bei Etzelbach.
Herbert Fritsch sieht sich als Schatzhüter
Zuallererst versteht sich der 75-Jährige jedoch als Hüter eines Schatzes. Er bewacht ihn, auch mit Hilfe raffinierter technischer Hilfsmittel. Es geht um das vielleicht wichtigste Andenken an den „Vater der Volksmusik“ aus Suhl, Roths berühmtes Akkordeon. „Heute so etwas zu besitzen, ist für ich wie ein Sechser im Lotto“, meint Fritsch. Der ideelle Wert lasse sich nicht in Zahlen fassen.
Klar, dass bei so viel Ehrfurcht das Instrument königlich in einer Vitrine aus Glas glänzt, extra dafür angefertigt. Erinnerungsstücke, die das Herz aller Volksmusikfreunde erwärmen, vervollständigen den Schrein.
Herbert Roth feierte mit „Grüße vom Rennsteig“ und „Von der Wartburg bis zur Saale“ Erfolge
Weder fehlen historische Fotografien und Autogramme, die den gebürtigen Suhler auf den Höhepunkt seiner Popularität in den 1970er Jahren zeigen. Noch muss man nach den Schallplatten-Hits suchen, darunter die einstigen Amiga-Dauerbrenner „Von der Wartburg bis zur Saale“ (1983) oder „Grüße vom Rennsteig“ (1974).
Herbert Fritschs Ritterschlag mit „Weltmeister“
Das Wichtigste jedoch ist und bleibt: Ein Zertifikat von Roth-Tochter Karin, mit dem sie ausdrücklich die Herkunft und Echtheit des Akkordeons bestätigt. „Das ist wie ein Ritterschlag“, beschreibt Fritsch seine Empfindungen angesichts des Schatzes. Das Fabrikat stammt aus dem berühmten vogtländischen Musikwinkel rund um Klingenthal.
Unter dem Markennamen „Weltmeister“ gehörten solche Akkordeons zu den Exportschlagern der DDR-Wirtschaft. Gleiches trifft zu jener Zeit in gewisser Weise auch auf Herbert-Roth-Lieder zu. 330 Kompositionen schafft er im Laufe der Zeit. Hörfunk, Fernsehen und Schallplatte machen sie bis nach Übersee populär. Zuhause polarisieren sie zunächst.
Herbert Roth von Walter Ulbricht gelobt
Die einen vermissen Mundart - Roth singt Hochdeutsch. Andere kommen mit den romantischen Texten von Karl Müller nicht klar. Später gibt es aber sogar Lob von Parteichef Walter Ulbricht und dessen Ehefrau Lotte. Erich Honecker legt nach, spendiert den Vaterländischen Verdienstorden.
Angesichts solcher Prominenz kursiert unter DDR-Rockern das selbstironische Bonmot: „Der Beat ist tot, es lebe Herbert Roth!“ Die Übernahme des Akkordeons, gibt Fritsch freimütig zu, ist ihm eher zufällig gelungen. „Hätte ich an dem Tag davon nicht in der Zeitung gelesen, wäre die Auktion glatt an mir vorbei gegangen. So aber gab es in dem Moment kein Halten mehr.“
Sohn Michael wurde geschwind zur Bank geschickt, damit er das väterliche Sparguthaben plündert. Mit einem Packen Bargeld machte sich der Junior dann auf zum Versteigerungsort und hielt sich strikt an die Anweisung des Alten.
Herbert Fritsch überbot Florian Silbereisen
Seine Erinnerung an den denkwürdigen Tag: „Ich wartete, bis sich die Spreu vom Weizen trennte.“ Und dann habe er die Mitbewerber, darunter der ewige Volksmusik-Prinz Florian Silbereisen, nach allen Regeln der Kunst zermürbt.
In ganz kleinen Schritten, aber mit endloser Geduld, legte Fritsch die Latte immer höher. Am Ende des Nervenkrieges konnte er die Reliquie aus dem Herbert-Roth-Nachlass für einige Tausender mit nach Hause nehmen. Fritsch junior weiß noch: „Mein Vater hatte Tränen der Rührung in den Augen, als ich daheim das Instrument auspackte.“
Thüringen-Hymne rahmt Alltag von Herbert Fritsch ein
Das Akkordeon löst eine Initialzündung aus. Seitdem steht Fritsch morgens mit dem Rennsteiglied auf. Und die inoffizielle Thüringen-Hymne ist zugleich auch seine liebste Gute-Nacht-Musik. Der 75-Jährige: „Mir geht es einfach gut, wenn diese Melodie in meinen Ohren klingt.“ Mal wird eine Schallplatte aufgelegt. Mal stimmt der 75-Jährige selbst an. Dank seines kräftigen Baritons ist es dann im ganzen Haus zu hören.
Natürlich alle drei Strophen. „Ich wandere ja so gerne am Rennsteig durch das Land, den Beutel auf dem Rücken, die Klampfe in der Hand...“ - die Premiere im „Goldenen Hirsch“ zu Hirschbach liegt fast 70 Jahre zurück, ein Ohrwurm ist es geblieben. Fritsch liebt vor allem den Refrain: „Diesen Weg auf den Höhn bin ich oft gegangen, Vöglein sangen Lieder. Bin ich weit in der Welt habe ich Verlangen, Thüringer Wald nur nach dir.“
Die Begeisterung des Gastgebers wirkt ansteckend. Sangeslustige Insassen von 50 bis 60 Reisebussen stimmen jährlich ein, ebenso Besucher aus Politik und Showgewerbe - stets angekündigt per Telefon. „Das Internet habe ich verpasst.“ Jetzt kündigt sich der Ostbeauftragte der Bundesregierung an, auf Sommertour. Wenig später schon der nächste Anruf. Vielleicht ist der Papst dran, ulkt der musikalische Erbe von Herbert Roth. (mz)
