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Gratwanderung: Marian Keyes' «Märchenprinz»

Von Petra Albers 01.10.2008, 10:51

Köln/München/dpa. - Ihre Spezialität ist die Gratwanderung zwischen Humor und Ernsthaftigkeit: Kaum irgendwo liegen Lachen und Weinen so nah beieinander wie in den Büchern der irischen Schriftstellerin Marian Keyes.

Auch ihr neuer, mittlerweile neunter Roman «Märchenprinz» bildet keine Ausnahme. Eine locker-lustige Story über eine verlassene Geliebte wird geschickt mit den Themen Alkoholismus und häusliche Gewalt verwoben.

Die Idee zu der Geschichte sei ihr nach einer Reise nach Äthiopien gekommen, wo sie Hilfsprojekte zum Thema Gewalt gegen Frauen kennenlernte, erzählt Marian Keyes im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur dpa. «Das öffnete mir die Augen und ich begann zu recherchieren.» Dazu habe sie mit vielen Frauen gesprochen, die von ihren Partnern geschlagen oder misshandelt wurden. «Das hat mich sehr ärgerlich gemacht», sagt die 45-Jährige. Obwohl es unzählige Fälle von häuslicher Gewalt gebe, sei in der Öffentlichkeit zu wenig darüber bekannt. «Die Opfer schweigen und bleiben aus Angst bei dem Täter.» Schließlich stand für Keyes fest: «Ich musste das Buch schreiben.»

In «Märchenprinz» sind die Schicksale von drei Frauen mit einem Mann verknüpft, dem smarten Politiker Paddy. Lola glaubt, in ihm ihren Traummann gefunden zu haben - doch plötzlich gibt Paddy seine Verlobung mit einer anderen bekannt. Gefrustet zieht Lola sich aufs Land zurück. Dort wird sie von der Journalistin Grace aufgestöbert, die auf Rache sinnt, weil sie ebenfalls ihre Erlebnisse mit Paddy hatte - genau wie Graces Zwillingsschwester Marnie, die unterdessen immer mehr dem Alkohol verfällt.

Die Figur Marnie spiegelt zum Teil Keyes eigene Lebenserfahrungen wider. Denn sie war früher selbst alkoholabhängig und ist seit einer Entziehungskur vor 15 Jahren «trocken». «Ich kenne Marnies Gefühle, diese schreckliche Verzweiflung und Hilflosigkeit.» Doch auch in dieser schlimmen Zeit habe sie ihren Humor nicht verloren, betont die Autorin - «eine Art Überlebenstechnik», die sich auch in ihren Büchern wiederfindet.

Insgesamt brauchte Keyes zwei Jahre, um «Märchenprinz» zu schreiben - recht lange für ihre Verhältnisse, wie sie sagt. «Das Thema war eine große Herausforderung, ich habe die Geschichte immer wieder umgeschrieben.»

Keyes gelingt es gut, die Gefühle ihrer drei Hauptfiguren herauszuarbeiten. Vor allem Marnies Geschichte stellt sie sehr einfühlsam dar. Allerdings ist der Schreibstil - bei jeder Figur verwendet sie eine andere Erzählperspektive - sicher nicht jedermanns Sache. Die stichwortartigen Aufzeichnungen, die Keyes in den Kapiteln über Lola verwendet, nerven auf die Dauer und geraten oft zu langatmig. Dort droht überdies der sonst so gelungene humorvoll- ironische Ton mehrfach in Albernheit umzuschlagen. So wird der Roman unnötig auf beinahe 850 Seiten «aufgepumpt» - etwas kürzer wäre er sicher nicht schlechter.

Keyes gilt als Mitbegründerin einer neuen Generation von Frauenromanen - sie selbst nennt ihren Stil «humorvollen Post- Feminismus». 1995 erschien ihr Debüt «Wassermelone», großen Erfolg in Deutschland hatte auch «Sushi für Anfänger». «Schreiben ist bei mir Intuition, die Gefühle helfen mir, nicht der Kopf.» Deshalb sei es auch für sie immer spannend, wie sich die Handlung entwickelt. Neben ihrer Ehe und ihrer Alkoholabstinenz sei Schreiben für sie «das wichtigste überhaupt», sagt Keyes. Zurzeit arbeitet sie bereits an ihrem nächsten Buch - «einer unbeschwerten Geschichte», die voraussichtlich Ende dieses Jahres fertig sein wird.

Marian Keyes: Märchenprinz

Heyne Verlag, München

848 S., Euro 21,95

ISBN 978-3-453-26586-8